Tatort Krankenhaus - die verlorene Spitze

Shownotes

Von im Körper vergessenen Tupfern, Kompressen oder auch OP-Tüchern hört man ja öfter, doch bei Andrea ist etwas anderes im Körper hinterblieben …

Die langjährige Radiomoderatorin Tanina Rottmann und der aus dem TV bekannte Patientenanwalt Peter Gellner schildern auf verständliche Art und Weise echte Fälle ärztlicher Kunstfehler und geben wertvolle Tipps aus der Insiderperspektive.

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Transkript anzeigen

00:00:00: [Musik]

00:00:22: "Tatort Krankenhaus", der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:00:28: Ja, herzlich willkommen zu einem ganz neuen Podcast auf dem Markt "Braucht die Welt den?"

00:00:33: Peter und ich, wir sagen ganz klar.

00:00:35: Auf jeden Fall.

00:00:36: Unbedingt, und zwar diesen Podcast.

00:00:39: Peter, wäre ja vielleicht ganz nett, wenn wir den Leuten erstmal so kurz sagen würden, wer wir eigentlich sind.

00:00:44: Soll ich dich mal ein bisschen vorstellen?

00:00:46: Wenn du das kannst, dann...

00:00:47: Ja, eigentlich kennen wir uns ja gar nicht, wir mögen uns aber.

00:00:51: So, das ist ja auch schon ein Grundbaufahrt, seit schonem.

00:00:53: Ja, das ist...

00:00:54: Für den Podcast.

00:00:55: Wir können auch gar nicht anders funktionieren, als dass man gemeinsame Hobbys hat.

00:00:59: Das ist so der Podcast, ansonsten haben wir keine gemeinsamen Hobbys.

00:01:02: Wir essen gern, wir trinken gern, wir...

00:01:05: Wir haben tatsächlich auch gerade ein Sektchen im Glas.

00:01:07: Das ist diese Anfangsnervosität.

00:01:09: Das wird ja nicht so schlimm werden.

00:01:10: Also Peter, du bist Anwalt für Medizinrecht und zwar auf Patientenseite.

00:01:16: Und du machst das, glaube ich, auch schon länger als zwei Wochen.

00:01:20: Ich bin sogar Fachanwalt für Medizinrecht.

00:01:22: Das ist noch was anderes als Anwalt für Medizinrecht.

00:01:24: Noch besser.

00:01:25: Erzähl mal, wie lange bist du wirklich in diesem Beruf jetzt schon aktiv?

00:01:27: Also ich bin Anwalt seit 1996, sehr, sehr lange.

00:01:32: Und mache eigentlich auch seit dem Arzthaftungsrecht.

00:01:36: Mittlerweile seit vielen Jahren ausschließlich, wenn ein Arzt einen Fehler macht,

00:01:42: dann bin ich da und unterstütze die Patienten.

00:01:45: Und wir vertreten ausschließlich die Patienten, keine Ärzte,

00:01:47: damit wir einfach auch glaubwürdiger bleiben.

00:01:49: Und versuchen, denen zu helfen, zu ihrem Recht zu kommen.

00:01:53: Jetzt wisst ihr schon in welche Richtung dieser Podcast geht.

00:01:56: Was kann ich?

00:01:57: Tanina ist ja für die, die es nicht wissen, optisch,

00:02:00: wirklich gerade Berufsanfänger, aber in Wirklichkeit

00:02:03: ist sie doch schon viele, viele Jahre als Radiomoderatorin tätig.

00:02:07: Und ich glaube, das ist eine ganz gute Ergänzung.

00:02:09: Und das macht es spannend für euch.

00:02:12: Also ich versuche natürlich euch ein bisschen so durch diese Fälle zu führen.

00:02:15: Ich bin aber auch da, die Fragen zu stellen, nämlich die Fragen,

00:02:18: die ihr vielleicht dann auch habt.

00:02:20: Ich versuche, die ansatzweise zu treffen.

00:02:22: Also, um es nochmal ganz verständlich zusammenzufassen,

00:02:25: Tatort Krankenhaus beschäftigt sich mit echten Fällen.

00:02:29: Ohne, und das ist mir ganz wichtig, an dieser Stelle auch zu sagen,

00:02:32: ohne die Ärzte generell an den Pranger stellen zu wollen.

00:02:35: Wir müssen uns klarmachen, wir haben in Deutschland mit weltweit

00:02:39: das beste medizinische System.

00:02:41: Wir haben mit die weltweit besten Ärzte.

00:02:43: Und das ist jetzt kein Format, dass irgendwie militant aufgestellt ist

00:02:49: und sagt so, die Ärzte sind alle schlecht

00:02:51: und machen jenes und dieses permanent falsch.

00:02:53: Nein, dem ist nicht so.

00:02:55: Die meisten Behandlungen sind einfach gut und richtig und qualitativ hoch.

00:02:58: Aber Fehler passieren.

00:03:00: Das ist richtig.

00:03:01: Sollen wir einfach mal zu unserem ersten Fall heute kommen.

00:03:03: Sehr gerne.

00:03:04: Tatort Krankenhaus Nummer 1.

00:03:07: Da geht es um Andrea.

00:03:09: Andrea ist eine junge Frau, 29 Jahre alt.

00:03:13: Sie arbeitet als Produktionshelferin in der Lebensmittelindustrie

00:03:17: und sie mag ihren Job. Auch privat ist sie

00:03:19: glücklich mit ihrem Freund

00:03:21: hat sie sich in einer gemeinsamen Wohnung eingerichtet.

00:03:24: Dann kommt der große Einschnitt in ihrem Leben.

00:03:27: Und wenn Andrea heute gefragt wird, wie es ihr geht,

00:03:30: dann antwortet sie meist mit "Es muss ja".

00:03:33: Und das finde ich ist ziemlich tapfer,

00:03:36: wenn man sich ihr Leben, wie sie es jetzt führt, anschaut.

00:03:39: Starke Kopfschmerzen sind ihr täglicher Begleiter,

00:03:42: genau wie Schmerztabletten, die sie alle paar Stunden zu sich nimmt.

00:03:46: Ihr linkes Gesichtsfeld ist ausgefallen.

00:03:49: Und das bedeutet, in einem bestimmten Bereich

00:03:51: kann sie Objekte nur verschwommen oder auch gar nicht erkennen.

00:03:54: Sie selbst spricht auch von einem Flackern,

00:03:56: das sie gelegentlich wahrnimmt und sie sehr beeinträchtigt.

00:03:59: Auch ihr Gedächtnis habe gelitten, sagt sie,

00:04:02: sie habe manchmal Ausfälle, wie sie es nennt.

00:04:04: Und die machen ihr Angst,

00:04:05: dass sie sich z.B. in solchen Momenten schneiden

00:04:08: oder anderweitig verletzen könnte.

00:04:10: Aber das Schlimmste für Andrea ist die Angst.

00:04:13: Die Angst vor diesem Fremdkörper in ihrem Kopf.

00:04:16: Das Gefühl, dass da noch etwas steckt.

00:04:19: Etwas, das ein Arzt bei einer missglückten Operation

00:04:22: in ihrem Kopf gelassen hat.

00:04:24: Sehr spooky, bis hierhin.

00:04:27: Ja, man wundert sich, was oftmals nach vielen Jahren

00:04:30: im Körper eines Menschen noch wiedergefunden wird.

00:04:33: Wir hatten mal einen sehr spannenden Fall.

00:04:35: Da hatte der Mandant 17 Jahre, in Worten 17.

00:04:40: 17 Jahre eine Schere im Bauchraum.

00:04:44: Er hatte immer wieder Probleme mit unterschiedlichsten Schmerzen.

00:04:48: Es ist aber nie geröngt worden,

00:04:50: darum wurde die Schere nicht gefunden.

00:04:52: Erst nach 17 Jahren.

00:04:53: Er hat jetzt fast schon auf Flughafen getippt,

00:04:55: dass es dann doch ordentlich piept.

00:04:57: Da hätte man es ja...

00:04:59: Habe ich ihn nicht gefragt, aber könnte ich mir vorstellen,

00:05:01: dass das beim wirklich sehr sensiblen Metalldedektor.

00:05:04: Hallo, ich möchte nach Mallorca

00:05:06: aber warum bringen Sie denn diese Schere mit?

00:05:08: Gar nicht so abwegig.

00:05:10: Aber wir waren schon erstaunt.

00:05:12: Die war, glaube ich, über 12 cm groß.

00:05:15: Und das ist schon gewaltig.

00:05:17: Gut, das ist natürlich Besteck aus dem OP-Raum.

00:05:19: Also die rostet jetzt nicht.

00:05:21: Das wäre ja nochmal ganz fatal gewesen.

00:05:23: Ich denke, es war keine private Schere,

00:05:25: einer Schwester oder eines Arztes,

00:05:27: sondern wirklich eine, die zur Operation gehörte.

00:05:30: Aber das sind natürlich auch wieder Einzelfälle.

00:05:33: Aber dass sich ein Tupfer oder ähnliches Material...

00:05:35: Bauchtücher, das ist doch der Klassiker, oder?

00:05:37: Ja das Bauchtuch wiederfindet,

00:05:39: dass es gar nicht so selten.

00:05:41: Bei Andrea ist es aber eine sehr seltene Sache.

00:05:45: An einem Tag im Januar erleidet Andrea

00:05:48: einen epileptischen Krampfanfall.

00:05:50: Die Angst ist groß, die Panik ist groß.

00:05:52: Andrea kommt sofort ins Krankenhaus.

00:05:54: Und dort stellt man in ihrem Gehirn

00:05:56: eine sogenannte AVM fest.

00:05:58: Das sollte man kurz aufklären.

00:06:00: Das ist eine angeborene Fehlbildung der Blutgefäße im Hirn.

00:06:03: Und diese können eine Blutung im Gehirn verursachen,

00:06:06: oder auch nicht.

00:06:08: Sie können Kopfschmerzen mit oder ohne Blutung

00:06:10: im Gehirn verursachen.

00:06:12: Andrea wird jedenfalls nicht stationär aufgenommen.

00:06:15: Das passiert erst zwei Wochen später

00:06:17: in einer Klinik für Neurochirurgie.

00:06:19: Jetzt stocke ich gerade schon.

00:06:21: Da hat jemand einen epileptischen Anfall.

00:06:23: Man macht auch diese Diagnose.

00:06:25: Warum wird die denn nicht aufgenommen?

00:06:27: Ach so, das ist jetzt erstmal nicht schlimm.

00:06:29: Wir wissen, was es ist.

00:06:31: Jetzt gehen Sie erst mal nach Hause.

00:06:33: ich bin da gerade ein bisschen geplettet.

00:06:35: Ja, nicht nur du, sondern ich auch.

00:06:37: Gerade in dem sensiblen Bereich des Hirnes

00:06:39: muss man wirklich dem Ganzen schnell auf den Grund gehen.

00:06:42: Was kann das sein?

00:06:44: Und dann nicht jemand nach Hause schicken und sagen,

00:06:46: kommen Sie mal wieder, wenn Sie nicht mehr leben.

00:06:48: Oder was Schlimmeres passiert ist.

00:06:50: Das ist für mich auch nicht verständlich,

00:06:52: dass da nicht eine weitere Diagnostik

00:06:55: betrieben worden ist, um zu klären, was liegt wirklich vor.

00:06:57: was liegt wirklich vor. 

00:06:59: Und was kann passieren? 

00:07:01: Also wie gesagt, es ist ja eine Diagnose gestellt worden, dass ja

00:07:04: die Fehlbildung der Blutgefäße im Hirn. Aber Andrea

00:07:07: wird halt in diese Klinik für Neurochirurgie. 

00:07:10: Neurochirurgie, mein Gott,

00:07:12: Irgendwann kann ich das auch mal ausprechen, weitergeleitet.  

00:07:14: Da wird Andrea auch komplett durchgecheckt 

00:07:16: und die Untersuchungen dort bestätigen, 

00:07:18: die gestellte Diagnose. 

00:07:21: Jetzt gibt es verschiedene Behandlungsmethoden bei einer AVM.

00:07:24: Andreas Arzt empfiehlt

00:07:26: die AVM mit einem Klebemittel

00:07:28: zu verschließen. Andrea willigt da auch ein.

00:07:31: Der OP-Termin steht. Sie hat verständlicherweise

00:07:34: ein mulmiges Gewühl, wie man das natürlich vor einer Operation hat.

00:07:37: Aber sie ist jung, sie ist fit und

00:07:39: denkt sich, es soll wohl alles gut gehen. Und auch die Ärzte

00:07:42: versichern ihr, dass das ein Eingriff ist,

00:07:44: der ist machbar. Ist das ein Routine-Eingriff?

00:07:46: Nein,

00:07:48: das ist kein Routine-Eingriff. Gerade alles,

00:07:51: was im Bereich des Hirnes stattfindet,

00:07:53: ist im Grunde nie Routine. 

00:07:56: zumindest was die Risiken und Gefahren anbelangt, die da lauern.

00:07:59: Darum sollte es nie zur Routine werden.

00:08:02: Es gibt natürlich Ärzte, die das sehr sehr häufig machen.

00:08:05: Bei denen ist es vielleicht ein Stück weit Routine. Aber die haben immer noch die

00:08:08: Achtsamkeit, weil gerade wenn das Hirn verletzt ist,

00:08:11: kann sich jeder vorstellen und weiß auch jeder,

00:08:14: was das für Folgen haben. Mit der Wahl einer Fachklinik für Neurochirurgie

00:08:17: hat sie ja schon einmal ziemlich

00:08:20: viel richtig gemacht. Ja, das ist richtig.

00:08:22: Aber leider läuft es nicht so,

00:08:25: wie es soll. Der Eingriff bringt nicht das erwünschte Resultat.

00:08:28: Im Gegenteil, ihr Zustand verschlimmert sich.

00:08:31: Es treten nach der OP Hirnblutungen auf.

00:08:34: Andrea hat starke Kopfschmerzen

00:08:36: und irgendwie nimmt sie ihre Umwelt nicht richtig wahr.

00:08:39: Ein Augenarzt braucht nicht lange, um bei Andrea eine Sehstörung

00:08:42: und einen halbseitigen Gesichtsfeldausfall festzustellen.

00:08:46: Bei mir würden jetzt als Patient komplett die Alarmglocken schrillen.

00:08:52: Also, wenn mir ein Arzt sagt, das war jetzt noch nichts,

00:08:56: da müssen wir noch mal operieren.

00:08:58: Wie oft kommt denn so was vor?

00:09:00: Das kommt gar nicht so selten vor.

00:09:03: Kannst du dir vielleicht vorstellen, wenn irgendwas gespült werden muss.

00:09:06: Im Bauchraum muss etwas gespült werden nach einer Sepsis.

00:09:10: Das ist oftmals nicht mit einer Operation getan.

00:09:13: Da kannst du 2, 3, 4, auch 20 und 30 und 40 Operationen.

00:09:18: Die Fälle hatten wir schon.

00:09:20: Dann wiederholt sich das...Auch wenn man vorher vielleicht dachte, das könnte in einer erledigt sein.

00:09:23: Genau. Das man nicht alles erwischt, was da im Bauchraum

00:09:26: kreucht und fleucht und dann muss man einfach wieder

00:09:29: spülen oder jetzt, wenn man jetzt hier in dem Fall

00:09:32: mit Klebemitteln

00:09:35: Wir bleiben mal bei diesem untechnischen Begriff "Klebemittel"

00:09:38: arbeitet. Ja, es ist nie sicher gestellt, dass

00:09:41: man wirklich alles richtig abklebt und

00:09:44: dementsprechend muss man eben noch einmal ran, ohne dass

00:09:47: dem Arzt ein Vorwurf zu machen ist.

00:09:50: Und genau so geht es ja auch weiter. Es nutzt nichts.

00:09:53: Es wird ein zweiter Behandlungstermin vereinbart.

00:09:56: In diese Operation geht Andrea nun alles andere als unbeschwert.

00:09:59: Und es passiert noch schlimmmeres. Der zweite

00:10:02: Eingriff geht gründlich schief. Der Arzt

00:10:05: versucht zum wiederholen Male Blutgefäße über einen Katheter

00:10:08: im Gehirn zu verkleben und dabei passiert es

00:10:11: Der Katheter lässt sich nicht mehr rausziehen. Egal,

00:10:14: was der Arzt versucht. Das Gerät steckt fest.

00:10:17: Und bei dem Versuch es aus Andreas Kopf zu ziehen,

00:10:20: passiert etwas, das wirklich sehr selten vorkommt.

00:10:23: Die Katheterspitze reißt ab.

00:10:26: Und sie kann auch nicht entfernt werden. Andrea hat

00:10:29: die Katheterspitze bis heute in ihrem Kopf. Der Arzt

00:10:32: bricht die OP ab ohne sie komplett durchführen zu können.

00:10:35: Andrea wacht problemlos aus der Narkose auf, aber

00:10:38: als sie später erfahren muss, was passiert ist,

00:10:41: bricht sie komplett zusammen. Und jetzt kommt ein Punkt Peter,

00:10:44: an dem mir auch schon wieder die Kinnlade herunterkracht.

00:10:47: Andrea wird aus dem Krankenhaus entlassen.

00:10:50: Ja, sie wird entlassen, weil die

00:10:53: Metallspitze in einem so sensiblen Bereich

00:10:56: liegt, dass das Risiko, dass

00:10:59: man viel weitergehende Schäden verursacht

00:11:02: bei der Entfernung der Katheterspitze so

00:11:05: hoch ist, dass man eher sagt, es ist

00:11:08: nicht mehr operabel. Es ist zu gefährlich. Das gilt ja auch

00:11:11: das hast du sicher schon gehört und auch die Zuhörer,

00:11:14: bei manchen Hirntumoren, die nicht mehr

00:11:17: operabel sind, weil die in einem Bereich liegen, weil wenn man

00:11:20: die entfernt, zerstört man so viel, das man quasi das

00:11:23: Wesen des Menschen komplett ändern würde und

00:11:26: er nur noch ein Pflegefall oder ein schwerst Pflegefall

00:11:29: wäre und dann nicht mehr operiert. Und hier lag die auch

00:11:32: in einem Bereich, wo man nicht dran gehen wollte, weil dann

00:11:35: war das Sprachzentrum gefährdet, es konnte

00:11:38: zur halbseitigen/vollständigen Lähmungen kommen und

00:11:41: darum sagt man, das Risiko ist zu

00:11:44: groß, wir belassen die, wenn die keine weiteren größeren Beschwerden macht, dann lassen

00:11:50: wir die drinnen.

00:11:51: Also ich habe die Berichte ja gelesen, ich drücke mich jetzt mal komplett unmedizinisch

00:11:54: aus, aber sinngemäß, das verwächst sich da, das ist dann drum herum quasi tot, das kann

00:12:01: da bleiben und wir können die Risiken ja gar nicht genau abchecken.

00:12:04: Einerseits, was passiert, wenn es drin bleibt, was es aber jetzt muss, wir können aber auch

00:12:08: die Risiken nicht abchecken, wenn wir weiter dran gehen.

00:12:10: Also beide Seiten sind jetzt nicht optimal.

00:12:12: Nein, und so eine abgebrochene Katheterspitze, das gilt eigentlich für viele Fremdkörper,

00:12:19: können auch wandern im Körper.

00:12:20: Also wir hatten schon Fälle, dann ist es durch den ganzen Arm in den Bauchraum gewandert

00:12:27: und hat wirklich eine lange Wegstrecke zurückgelegt und konnte dann später irgendwann entfernt

00:12:33: werden oder manchmal sucht man auch Fremdkörper, wo sind sie denn?

00:12:36: Wir haben sie da eingesetzt und waren an ganz anderer Stelle.

00:12:39:  So etwas kann ja auch bis zum Herz wandern.

00:12:41: Wir machen hier schon wieder so ein Horrorfass gerade auf - Hilfe.

00:12:45: Ja, aber die Fälle kommen einfach vor und da muss man auch darüber sprechen, da sind

00:12:52: Risiken, die sich verwirklichen können.

00:12:53: Auch wenn sie selten sind, kommen sie vor und wir wollen sie ja nur beschreiben und wir

00:12:58: stellen ja nicht da, dass das der Alltag ist, dass das bei jeder Operation vorkommt, sondern

00:13:03: ganz, ganz selten.

00:13:05: Aber es kommt einfach vor und darum darf man es auch nicht verschweigen.

00:13:08: Ich glaube, viele stellen sich es gerade schon automatisch vor, wie würde es mir gehen

00:13:12: und wie würde ich mich fühlen, wenn ich tatsächlich so einen Gegenstand noch in meinem Kopf hätte.

00:13:17: Andrea steht auch verständlicherweise komplett unter Schock.

00:13:20: Sie hat einfach Angst und das ist auch der größte Vorwurf, den sie dem behandelnden

00:13:26: Arzt macht.

00:13:27: Er habe sie über dieses Risiko nicht aufgeklärt, das so etwas eben passieren kann.

00:13:31: Sie sagt, es seien ihr außerdem auch keine medizinischen Alternativen angeboten worden.

00:13:36: In dem Fall und mit dem möglichen Risiko im Hinterkopf hätte sie den Eingriff vielleicht

00:13:41: gar nicht machen lassen oder noch eine andere Spezialklinik aufgesucht.

00:13:45: Ja Peter, was ist das jetzt?

00:13:47: Was kann man da machen?

00:13:48: Ist Andreas schlimmer OP-Verlauf, dieses Abreißen der Katheterspitze ein Unfall, höhere Macht

00:13:53: oder muss sich da der Arzt verantworten?

00:13:54: Ja, das ist eine sehr, sehr gute Frage.

00:13:57: Also das Gericht, was wir in erster Instanz angerufen haben, das Landgericht, hat das so

00:14:02: gesehen, dass sich schicksalhaft ein Risiko verwirklicht hat, nämlich das Abbrechen

00:14:08: dieser Spitze.

00:14:09: Da konnte der Arzt nichts für und auch der Hersteller, der bestes Material geliefert hat,

00:14:15: konnte auch nichts dafür.

00:14:16: Das hat das Landgericht so gesehen, dass dem Arzt nichts anzulasten ist.

00:14:21: Und dann ging es aber ja weiter.

00:14:23: Wir haben gesagt, nee, das kann nicht sein.

00:14:26: Sie hätte zumindest darüber aufgeklärt werden müssen, dass es dazu kommen kann.

00:14:30: Gerade in diesem sensiblen Bereich.

00:14:33: Und das hat im Endeffekt auch das Oberlandesgericht, dass wir in zweiter Instanz angerufen haben.

00:14:39: Also angerufen heißt nicht, dass wir zum Telefonhörer greifen und anrufen, sondern

00:14:45: dass es so der Fachbegriff, wenn man eine Berufung einlegt oder ein Rechtsmittel einlegt

00:14:50: in dem Fall.

00:14:51: Und dann sagt man angerufen und ja, das OLG hat das anders gesehen und hat einen Vergleichsvorschlag

00:15:00: gemacht.

00:15:01: Und letztendlich haben wir uns darauf verständigt.

00:15:04: Andrea hat einen Schadensersatzbetrag von 150.000 Euro erhalten und das halte ich auch für

00:15:11: gerechtfertigt.

00:15:12: Vergleich muss man wissen, ist immer ein Kompromiss.

00:15:16: Es ist ein gegenseitiges Nachgeben.

00:15:17: Wir hatten uns mehr vorgestellt.

00:15:19: Die Gegenseite wollte gar nichts zahlen.

00:15:21: Gerade weil sie die erste Instanz gewonnen hatten, waren sie natürlich mit breiter Brust

00:15:25: und frohen Mutes in die zweite Instanz mit uns gegangen.

00:15:30: Aber letztendlich haben die dann auch eingewilligt und es kam zu dieser Zahlung.

00:15:33: Aber nach wie vor ist die abgebrochene Katheterspitze im Hirn von Andrea so viel ich weiß.

00:15:42: Wir hatten jetzt natürlich geraume Zeit keinen Kontakt mehr.

00:15:45: Wandert sie nicht.

00:15:47: Sie hat ihre Position gefunden, wo sie keinen größeren Schaden, kleineren schon, aber

00:15:53: keinen größeren Schaden anrichtet und kann da erst mal verbleiben.

00:15:57: Sie kann weiterhin nicht operativ entfernt werden.

00:15:59: Andrea hat sich auf jeden Fall nochmal geäußert, wie es ihr aktuell geht.

00:16:03: Da können wir ja nochmal kurz nachschauen.

00:16:05: Ihren gesundheitlichen Zustand haben wir eingangs erwähnt.

00:16:08: Sie hat nach wie vor diese Ausfälle, wie sie es nennt.

00:16:11: Der Gesichtsfeldausfall kommt auch nach wie vor dazu.

00:16:15: Es hat sich auch nicht gebessert.

00:16:16: Und dann ist natürlich bei ihr auch noch der psychische Faktor ganz hoch.

00:16:19: Sie stand lange unter Schock bei dem Gedanken, dass eben diese Katheterspitze nach wie vor

00:16:24: in ihrem Körper, in ihrem Kopf steckt und sie rauszuholen, jede Menge Risiken birgt.

00:16:29: Dadurch hat sie extreme Zukunftsängste begleitet von auch ständigen Albträumen.

00:16:33: Und konkrete Folgen sind ja auch nicht absehbar.

00:16:36: Ein Jahr nach diesem missglückten Eingriff erlitt Andrea weitere Krampfanfälle und sie

00:16:42: hat Angst vor einer erneuten Gehirnblutung, Lähmungserscheinungen oder sogar einen Hirnschlag.

00:16:46: Ich glaube, dann gehen die Gedanken mit einem, die gallopieren dann so davon, dass man ständiger

00:16:51: Angst lebt.

00:16:52: Und diese Ängste, die ihr bisher auch kein Arzt nehmen konnte, lassen sie in ihrem Leben

00:16:57: quasi auf die Bremse treten.

00:16:58: Also Andrea traut sich keinerlei Anstrengungen zu, wie zum Beispiel Sport, Flugreisen.

00:17:04: Mag sie auch nicht machen und Peter, ich glaube, sie arbeitet auch nach wie vor nicht.

00:17:08: Als ich zuletzt mit ihr gesprochen habe, hat sie noch nicht wieder gearbeitet.

00:17:11: Ob sich das zwischenzeitlich wieder geändert hat, weiß ich nicht.

00:17:15: Aber ich denke, sie wird nach wie vor...

00:17:18: Würde sie wünschen.

00:17:19: Ja, wünschen würde ich sie auch, aber nach wie vor wird sie wahrscheinlich nicht arbeiten.

00:17:23: Aber sie teilt das Schicksal eigentlich vieler Menschen, die mit einer ständigen Angst leben

00:17:31: müssen.

00:17:32: Gerade wenn man jetzt Krebspatient gewesen ist, eigentlich den Krebs besiegt hat, hat

00:17:38: man trotzdem immer im Hinterkopf, das kann vielleicht wiederkommen, rezidiv kann, kann

00:17:43: sich wieder einstellen.

00:17:44: Oder man hat ein Fremdkörper im Körper oder auch hat ein Aneurysma

00:17:51: Die Vorstellung finde ich auch so...

00:17:53: Wo man Sorge hat, das kann irgendwann mal platzen und dann hat es die entsprechenden

00:17:58: Folgen, je nachdem, wo es liegt, ob im Hirn oder im Bauch oder wo auch immer.

00:18:04: Und das ist auch ein großes Risiko und auch so eine tickende Zeitbombe und Aneurysmen

00:18:09: Also die Ausstülpung von Gefäßen werden oftmals nur zufällig entdeckt.

00:18:15: Und das ist auch...

00:18:16: Und wenn man es dann weiß, dass man es hat, ist das auch ein Risiko, mit dem man leben

00:18:21: muss.

00:18:22: Weil es auch nicht immer operabel ist und manchmal noch nicht die entsprechende Größe hat

00:18:26: um es zu operieren.

00:18:28: Also das sind so Dinge, die die Psyche doch sehr, sehr angreifen.

00:18:32: Da kann therapeutische Begleitungen auf jeden Fall auch eine ganz wichtige Sache sein.

00:18:35: Ja, wir sind auch als Anwälte im Arzthaftungsrecht auf Patientenseite ein Stück weit auch Seelentröster,

00:18:42: auch wenn wir nicht entsprechend ausgebildet sind, aber schon jetzt durch meine jahrzehntelange

00:18:47: Erfahrung, doch das schon sehr, sehr viel erfahren hat und auch Hilfestellungen geben

00:18:51: kann auch in dem Bereich.

00:18:52: Ich glaube dir das sofort.

00:18:53: Nicht wie Fachleute, das will ich sagen, aber es ist schon ein reichhaltiger Erfahrungsschatz

00:19:01: und das gehört einfach mit dazu.

00:19:04: Aber das mache ich gerne, das habe ich mir auf die Fahne geschrieben, weil es ist nicht

00:19:08: allein das Rechtliche, was die Patienten da bedrückt und da müssen wir offen sein und

00:19:15: über den Tellerrand auch mal hinausdenken.

00:19:17: Das merkt man auch, wenn man sich eben mit dir über die Fälle unterhält.

00:19:20: Jetzt wurde ja ganz klar, dass du da auch Kontakt hattest.

00:19:24: Für dich sind das nicht nur, ich weiß jetzt noch die Zahlen, die Fakten, ich weiß, was

00:19:27: wir hinterher vor Gericht rausgekriegt haben, Vergleich oder nicht Vergleich, sondern du

00:19:32: weißt ja über die Patienten

00:19:34: Weißt du ja ganz viel.

00:19:36: Also die bleiben schon alle auch menschlich bei dir hängen.

00:19:38: Nicht alle, das geht gar nicht, dafür haben wir viel zu viele.

00:19:42: Aber es bleiben schon einige Fälle in Erinnerung, gerade, wenn Kinder geschädigt sind, das nimmt man

00:19:48: einfach immer mit oder wenn es zu Todesfällen kommt oder zu Schwerstpflegefällen, wo Menschen

00:19:54: wirklich von heute auf morgen aus dem Leben gerissen werden, das bleibt schon im Kopf.

00:19:59: Ich habe noch eine ganz persönliche Frage zu der Andrea an dich.

00:20:02: Weiß nicht, ob du die beantworten kannst.

00:20:03: Also ich kann nachvollziehen, welche Ängste sie da hat und dass man gucken muss, dass

00:20:07: man jeden Tag im Leben aber auch wirklich nochmal normal lebt.

00:20:10: Und dieses Geld, was ihr jetzt bekommen habt, 150.000 Euro im Vergleich.

00:20:14: Kannst du dich noch daran erinnern?

00:20:17: Also was ihr das gegeben habt, ist da eine große Last von ihr abgefallen?

00:20:22: Hat sie gesagt, dann habe ich das oder war das bei ihr so, ja Gott, macht mich jetzt

00:20:28: nicht gesund oder verbessert meinen Zustand nicht.

00:20:30: Mit welchem Gefühl hat sie das aufgenommen und angenommen?

00:20:34: Das Geld macht den Patienten nie gesund.

00:20:37: Aber es erleichtert schon die Lebensführung.

00:20:40: Man kann sich vielleicht die ein oder andere Behandlung mehr leisten, die die Krankenkasse

00:20:44: nicht übernimmt, dass man die privat bezahlt und kann sich sein Umfeld erleichtern und

00:20:51: verbessern.

00:20:52: Wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist, das war jetzt Andrea nicht, aber in anderen

00:20:55: Fällen, dass man sein Haus umbaut, behindertengerecht macht, all sowas.

00:21:00: Es gibt schon Erleichterungen in dem Bereich.

00:21:02: Man kann nicht mehr arbeiten und hat dann vielleicht ein Geldersatz dafür, das hilft

00:21:07: schon.

00:21:08: Aber wie ich eigentlich immer wieder sage und was einfach zutreffend ist, ist, dass

00:21:12: Patienten nie Geld für Gesundheit nehmen würden, sondern immer lieber die Gesundheit

00:21:18: hätten und nicht mit den Ängsten, wie jetzt Andrea leben müssen.

00:21:22: Ja, sie war, soweit ich mich noch erinnere, sehr froh, dass noch ein Vergleich geschlossen

00:21:28: worden ist, weil wir gerade die erste Instanz verloren hatten.

00:21:31: Sie war bei Null.

00:21:32: Sie hatte den Schaden, wo das Gericht gesagt hat, der Arzt hat nichts falsch gemacht

00:21:38: und jetzt hat sie in zweiter Instanz nicht das bekommen, was wir eingeklagt haben, aber

00:21:44: schon ein stückweiten Betrag, mit dem sie dann auch ihre Situation verbessern konnte.

00:21:49: Peterle, ich finde das so hochgradig spannend.

00:21:52: Ich freue mich richtig, dass du mich gefragt hast, ob wir diesen Podcast machen können.

00:21:56: Ich hoffe, euch geht das auch so und ihr habt wahrscheinlich auch, wie ich den Eindruck,

00:22:00: in diesem Mann stecken noch so unfassbar viele Geschichten und über genau die wollen wir

00:22:05: ja sprechen in Tatort Krankenhaus.

00:22:08: Da machen wir weiter, da wird es eine zweite Folge geben und mit Sicherheit auch eine Dritte,

00:22:12: also eine erste Staffel, bieten wir auf jeden Fall an und wir freuen uns beide sehr über

00:22:18: Feedback.

00:22:19: Ihr findet uns, also Tatort Krankenhaus, auf Instagram, Facebook.

00:22:23: Bei TikTok findet ihr uns, ihr könnt uns gerne auch ganz klassische eine Mail schicken, an info@tatort-krankenhaus.de.

00:22:29: Lasst hören, wie euch unsere erste Folge gefallen hat, ob ihr mehr wollt und wenn ihr nicht mehr

00:22:34: wollt, machen wir trotzdem weiter, oder?

00:22:35: Das machen wir auf jeden Fall und lasst mich vielleicht zum Schluss noch eins sagen, wenn

00:22:40: wir so eine gewisse Humoreskenote, sag ich mal so ein bisschen im Anwaltsdeutsch, reinbringen,

00:22:46: dann ist das nicht, weil wir uns lustig machen über die Fälle.

00:22:49: Wir wissen schon, was da oft für Schicksale hinterstehen, sondern das dient einfach ein

00:22:53: Stück weit.

00:22:54: Um das Format auch dem Einzelnen näher zu bringen, verständlich zu machen, das ist nicht

00:22:59: alles hochwissenschaftlich, was wir hier von uns geben, das soll es auch gar nicht sein.

00:23:03: Und wir wollen verständlich bleiben und wenn es nicht verständlich genug gewesen ist, lasst

00:23:08: uns das wissen.

00:23:09: Gerne.

00:23:10: Dann versuchen wir uns zu verbessern.

00:23:11: Zumindest sind wir lernwillig.

00:23:13: Ob wir lernfähig sind, das weiß ich jetzt nicht.

00:23:16: Das hört man vielleicht in Folge 203.

00:23:18: Wir freuen uns auf jeden Fall auf euch.

00:23:20: Bis zum nächsten Mal.

00:23:21: Tschüssi.

00:23:22: Tatort Krankenhaus.

00:23:23: Der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:23:27: SWR 2021

Kommentare (1)

BPM aus CH

Tolle erste Episode! Ihr ergänzt euch wunderbar, macht unbedingt weiter! LG aus der 🇨🇭

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