Tatort Krankenhaus - das Kind hat Fieber

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00:00:22: "Tatort Krankenhaus", der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:00:27: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Tatort Krankenhaus",

00:00:32: wenn Ärzte Fehler machen mit Tanina und Peter.

00:00:35: Wenn Ärzte Fehler machen, dann kann das auch gut ausgehen.

00:00:40: Oder es geht fatal aus und das sind die Fälle,

00:00:43: die dich dann bei uns und in eurem Podcast landen.

00:00:46: So, und wenn so was geschieht, dann ist es gut,

00:00:48: einen Mann wie Peter Gellner an seiner Seite zu haben.

00:00:51: Für alle, die es nicht wissen oder es vielleicht auch vergessen haben,

00:00:54: Du bist Fachanwalt für Medizinrecht und zwar ausschließlich auf Patientenseite.

00:00:59: Peter und manchmal sind deine Patienten auch ganz, ganz kleine Wesen.

00:01:03: Ja, leider. Leider sind auch die Kleinsten unter uns

00:01:07: oder vielleicht auch schon die Ungeborenen.

00:01:10: Man spricht dann vom Nasciturus.

00:01:13: Das ist das ungeborene Leben.

00:01:15: Der Nasciturus zum Beispiel kann schon Erbe sein,

00:01:18: das wissen auch die Wenigsten.

00:01:20: Man kann also, auch wenn man noch nicht geboren ist, schon Erbe sein

00:01:23: und der Nasciturus kann aber auch medizingeschädigt werden.

00:01:26: Ebenso wie kleine Kinder und wie jedes Kind in jedem Alter.

00:01:31: Das liest sich in den Gerichtsakten, die ich von dir ja immer bekomme,

00:01:34: immer so ein bisschen seltsam für mich.

00:01:36: Wenn ein kleines Kind, fangen wir jetzt mal drei Jahre alt,

00:01:39: da als Kläger genannt wird.

00:01:41: Also das hat mich am Anfang immer erst ganz verwirrt.

00:01:43: Das ist so, weil Kinder sind noch nicht prozessfähig

00:01:46: und die werden dann vor Gericht vertreten durch die Sorgeberechtigten.

00:01:50: Aber sie werden als die Kläger aufgeführt,

00:01:52: wenn es um ihre Begründung ist.

00:01:54: Ja, es klagt, das dreijährige Kind gesetzlich vertreten

00:01:57: durch die Eltern als Sorgeberechtigte.

00:02:00: Ja, und in solchen Fällen sind es ja meist die Eltern,

00:02:03: die für ihr krankes Kind kämpfen.

00:02:05: Die kommen ja zu dir.

00:02:07: Jetzt versuchen wir uns das gerade mal so ein bisschen vorzustellen.

00:02:09: Schilder das doch mal.

00:02:11: Wie empfindest du diese Eltern, wenn die zu dir kommen

00:02:13: und deine Hilfe für ihr Kind suchen?

00:02:15: Ich stelle mir das sehr emotional vor.

00:02:17: Manchmal auch zu emotional, dass sie ganz hilflos sind.

00:02:20: Ja, das kann unterschiedliche Gründe haben.

00:02:23: Das kann schon damit beginnen, dass beispielsweise die Mutter

00:02:26: hat gemeinsam mit dem getrennt lebenden Ehemann das Sorgerecht.

00:02:31: Die Mutter will unbedingt was unternehmen,

00:02:33: weil sie meint, das Kind ist geschädigt

00:02:35: und da muss was gemacht werden.

00:02:37: Und der Ehemann, der immer noch sorgeberechtigt ist,

00:02:40: sagt, ne, ich möchte nichts machen.

00:02:42: Es geht eigentlich nur gemeinschaftlich.

00:02:44: Das ist ein Problem, das ein Elternteil möchte

00:02:47: und das andere Elternteil möchte kein Verfahren anstrengen.

00:02:50: Im schlimmsten Fall, ich nenne das bewusst schlimmsten Fall,

00:02:54: muss man Gericht anrufen, dass das Gericht dann entscheidet darüber,

00:02:58: wer in diesem speziellen Fall entscheiden darf,

00:03:01: ob eine gerichtliche Klärung herbeigeführt wird oder nicht.

00:03:05: Also eine Einzelfallentscheidung des Gerichts

00:03:07: im Rahmen eines Sorgerechtstreits.

00:03:09: Also sehr, sehr kompliziert.

00:03:11: Dann gehen erst mal ein, zwei Jahre ins Land,

00:03:13: bis man überhaupt anfangen kann mit der Arzthaftungssache.

00:03:15: Das ist eine Problematik.

00:03:17: Die andere Problematik ist natürlich,

00:03:19: dass die Eltern verständlicherweise sehr emotionalisiert sind

00:03:23: und je nachdem, wie das Kind geschädigt ist,

00:03:25: auch sehr darunter co-leiden.

00:03:28: Da muss man dann ja auch mit einem besonderen Händchen rangehen

00:03:31: an die ganze Geschichte und sehr sensibel.

00:03:33: Ja, man muss ein offenes Ohr haben

00:03:35: und auch das Herz an der richtigen Stelle,

00:03:38: das gehört einfach auch als Patientenanwalt mit dazu.

00:03:41: Ihr habt es ja gesehen, wie unsere Folge heute heißt,

00:03:43: das Kind hat Fieber.

00:03:45: Wir haben uns das so überlegt,

00:03:47: weil das ja oft ein Satz ist, den vielleicht Eltern

00:03:51: einfach auch so aussprechen.

00:03:53: Das Kind hat Fieber.

00:03:55: Das kommt auch vor, dafür kann es ganz, ganz verschiedene Gründe geben.

00:03:58: Und in unserem Fall heute ist es eine Geschichte,

00:04:01: die wirklich sehr, sehr böse und sehr, sehr bitter ausgeht.

00:04:05: Peter, der Fall, den du uns heute mitgebracht hast,

00:04:08: da geht es um ein Baby, es ist noch ein Säugling.

00:04:11: Das ist der kleine Matteo, der ist gerade mal zwei Monate alt.

00:04:14: Für seine Eltern Max und Svenja ist es das erste Kind

00:04:17: und die beiden schweben auch auf Wolken.

00:04:20: Die sind super happy.

00:04:22: Matteo ist auch ein ganz liebes Kerlchen, ist pflegeleicht.

00:04:25: Mama Svenja ist auch sehr froh, dass es kein Schreikind ist,

00:04:28: so wie das Kind ihrer Schwester.

00:04:30: Und das Paar genießt das frische Elternsein

00:04:33: und freut sich einfach auf alles, was da noch kommt.

00:04:36: Auch wenn die Nächte natürlich ziemlich kurz sind.

00:04:39: An einem Dienstagmorgen passiert ein Unfall,

00:04:42: den mit Sicherheit einige Eltern auch kennen.

00:04:45: Der kleine Matteo fällt vom Wickeltisch,

00:04:47: als Mama Svenja kurz abgelenkt war.

00:04:49: Ich bin damals auch vom Wickeltisch gefallen und du sagst jetzt nichts.

00:04:52: Ich seh den Schalck schon in deinem...

00:04:54: Ja, das erklärt einiges.

00:04:56: Ja, was ich hätte sagen wollen,

00:04:58: haben die Hörer, glaube ich, schon sofort gedacht, aber...

00:05:01: Nein, ich würde das nicht wagen.

00:05:03: Aber ich war das besagte Schreikind.

00:05:05: Tatsächlich?

00:05:07: Jetzt verkneif ich mir mal den Kommentar.

00:05:10: Ja, ich war wahrscheinlich auch nicht immer angenehm für meine Umgebung.

00:05:13: Aber heute ja umso mehr.

00:05:15: Umso mehr.

00:05:17: Also, wir sind weiter bei Matteo,

00:05:19: der da von dem Wickeltisch gefallen ist.

00:05:22: Der schreit natürlich wie am Spieß, der Kleine.

00:05:25: Und Svenja macht sich riesengroße Sorgen,

00:05:27: dass er sich ernsthaft verletzt haben könnte.

00:05:30: Und sie macht sich mit ihm sofort auf.

00:05:32: In die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses.

00:05:35: Dieses Krankenhaus verfügt zum Glück über eine Abteilung

00:05:38: für Kinder- und Jugendmedizin.

00:05:40: Es gibt dort auch eine Kinderchirurgie.

00:05:42: Peter, wäre das Kind auch in einem Krankenhaus

00:05:45: ohne Kindermedizin untersucht worden?

00:05:48: Ja.

00:05:49: Ich kenne das jetzt hier aus unserem Bereich Gütersloh.

00:05:51: Wir haben ja wirklich Probleme,

00:05:53: wenn Kinder Notfälle, die müssen bis in der Bielefeld fahren.

00:05:56: Ja, aber im ersten Zuge

00:05:58: kann das auch im Krankenhaus untersucht werden,

00:06:00: wo es jetzt keine spezielle Kinderabteilung gibt.

00:06:03: Ja, oftmals auch gar nicht die Wahl, das anders zu händeln.

00:06:06: Und die Krankenhäuser, die dann erkennen,

00:06:08: oh, da ist in der weiteren Folge die Behandlung

00:06:11: durch einen Spezialisten die bessere,

00:06:14: die überweisen dann schon in den Krankenhaus,

00:06:17: dass eine spezielle Abteilung auch für Kinder hat.

00:06:19: In dieser Klinik wird Matteo untersucht,

00:06:22: die Ärzte stellen jetzt keine Verletzungen fest.

00:06:25: Allerdings bemerken sie im Mundraum des Säuglings

00:06:28: weiße Punkte, bzw. so weiße Areale.

00:06:31: Als Svenja fragt, was das denn sei,

00:06:34: das haben sie nämlich vorher bei Matteo noch nie gesehen,

00:06:37: sagt die behandelnde Ärztin, das sei nichts Schlimmes.

00:06:40: Sie halte es für Reste von Muttermilch.

00:06:42: Ja, Svenja fährt einigermaßen beruhigt mit ihrem Baby nach Hause.

00:06:46: Am nächsten Morgen, Svenja will Matteo aus seinem Bettchen heben,

00:06:49: bemerkt sie, dass der Junge ganz heiß ist, er glüht.

00:06:52: Sie misst eine erhöhte Temperatur,

00:06:54: genauere Angaben haben wir jetzt aus der Akte nicht.

00:06:57: Und sie fährt diesmal mit ihrem Mann wieder in die Klinik.

00:07:00: Dort bekommt Matteo Fieberzäpfchen

00:07:02: und die kleine Familie wird wieder nach Hause geschickt.

00:07:05: Am späten Abend des nächsten Tages

00:07:07: ist die Temperatur von Matteo gestiegen.

00:07:09: Seine Eltern messen 39,6°C

00:07:12: und geben ihm nochmal eins von diesen Parazetamolfieberzäpfchen.

00:07:17: Als um Mitternacht, dass Fieber unverändert hoch ist,

00:07:20: ruft Svenja in dieser Klinik an.

00:07:23: Am Telefon sagt man ihr, sie soll dem Baby ein anderes Zäpfchen geben.

00:07:27: Nurofen, das ist der Wirkstoff Ibuprofen statt Parazetamol.

00:07:31: Ich glaube, das wirkt vielleicht ein bisschen mehr gegen Fieber

00:07:35: oder ein bisschen schneller, aber eigentlich tut sich das so unbedingt jetzt nichts, oder?

00:07:39: Im Regelfall bekommen Kinder erstmal Parazetamol verabreicht

00:07:43: und dann nur in der weiteren Folge Ibuprofen.

00:07:47: Damit war das Gespräch auch schon beendet.

00:07:49: Die Klinik bietet den Eltern zum Beispiel nicht an, mit dem Kind jetzt vorbei zu kommen,

00:07:53: um das Fieber vor Ort abzuklären.

00:07:56: Papa Max scrollt da ganz hektisch durch sein Handy,

00:07:59: um die nächste Notapotheke zu finden.

00:08:01: Die ist knapp 10 km entfernt

00:08:03: und nach etwa 20 Minuten ist er dann mit den anderen Zäpfchen zurück.

00:08:08: Um 3 Uhr in der Nacht schreit Matteo.

00:08:11: Svenja gibt ihm die Brust.

00:08:13: Der Kleine trinkt sehr wenig und erbricht es dann sofort wieder.

00:08:17: Am nächsten Morgen fahren die Eltern mit dem Jungen zu ihrem Kinderarzt.

00:08:20: Und wegen des Fiebers und des Brechanfalls vermutet dieser,

00:08:24: dass Matteo eine Meningitis hat.

00:08:26: Das ist bekannt, das ist eine Hirnhaut-Entzündung

00:08:29: und die ist natürlich sehr, sehr gefährlich.

00:08:31: Ja, eine Meningokokken-Infektion ist eine schwere Krankheit,

00:08:34: die in halb weniger Stunden sogar lebensbedrohlich werden kann.

00:08:38: Bakterien, die Meningokokken, verursachen,

00:08:41: meist eine eitrige Hirnhaut-Entzündung.

00:08:44: Selbst wenn eine bakterielle Hirnhaut-Entzündung rechtzeitig angemessen behandelt wird,

00:08:49: liegt die Sterberate bei Neugeborenen, mag man nicht glauben, ist aber so,

00:08:53: bei 5 bis 25 Prozent. Von den überlebenden Neugeborenen

00:08:58: entwickeln 20 bis 50 Prozent schwere Probleme in Bezug auf Gehirn und Nerven.

00:09:03: Da sieht man, welche fatalen Folgen in vielen, vielen Fällen das haben kann.

00:09:07: Ich habe mir mal angeguckt, welche Symptome bei Säuglingen und Kindern

00:09:10: unter 12 Monaten auftreten können.

00:09:12: Wir haben die schlechte Nahrungsaufnahme, Erbrechen,

00:09:16: das hat mir im Fall von Matteo ja auch, zu hohe oder zu niedrige Temperatur,

00:09:20: das kann auch möglich sein,

00:09:22: Ausschlag, Krampfanfälle und auffällige Schläfrigkeit.

00:09:26: Das können alles Symptome für eine Gehirnhaut-Entzündung sein.

00:09:30: Ältere Kinder und Jugendliche, das können wir auch gerade noch erwähnen,

00:09:33: klagen bei einer Meningitis über starke Kopfschmerzen,

00:09:36: Verwirrtheit und das ist glaube ich das, was auch viele wissen, den steifen Nacken.

00:09:40: Also ein Freund von mir oder damals ein Schulkollege, der hatte das tatsächlich auch.

00:09:45: Wir mussten alle Tabletten nehmen, die haben das Urin sehr verfärbt,

00:09:50: zur Richtung Orange und Rot und wir mussten alle, ich glaube mindestens 2 Tage alle zu Hause,

00:09:55: weil wir es jetzt höchst ansteckend.

00:09:56: Ja, ja, ja, es ist eine hohe Infektionsgefahr.

00:09:59: Also wie gesagt, der Kinderarzt von Matteo äußert diesen Verdacht auf Meningitis

00:10:04: und überweist Matteo direkt wieder in die Klinik, in der die Eltern auch vorher schon waren.

00:10:09: Und dort verschlechtert sich sein Zustand dramatisch.

00:10:12: Die Infektion explodiert regelrecht.

00:10:15: Matteo wird mit Antibiotika behandelt.

00:10:17: Seine Entzündungswerte steigen aber weiter an

00:10:20: und die Ärztin im Krankenhaus erweitert daraufhin die Antibiotikatherapie.

00:10:25: Mittlerweile bekommt Matteo 3 verschiedene Medikamente

00:10:28: und endlich beginnen diese zu wirken, also die Entzündungswerte sinken.

00:10:32: Für die Eltern bleibt allerdings nur ein kurzer Moment der Erleichterung,

00:10:36: denn sie bekommen eine nächste Diagnose.

00:10:39: Matteo hat außerdem Diabetes Insipidus.

00:10:43: Peter, mach uns mal bitte gerade das Latein Wikipedia.

00:10:46: Was hat der Junge?

00:10:47: Ja, Diabetes Insipidus, ich weiß gar nicht wo die Betonung genau liegt.

00:10:53: Ich würde es mal so aussprechen wollen.

00:10:55: Es ist eine sehr seltene Erkrankung, die auftritt,

00:10:57: wenn die Nieren große Mengen Flüssigkeit über den Urin abgeben.

00:11:02: Das bedeutet, die Kinder scheiden viel zu viel Flüssigkeit aus.

00:11:06: Sie dehydrieren.

00:11:08: Die Kinder haben eine hormonelle Störung,

00:11:10: also entweder nicht genug vom Hormon, Vasopressin,

00:11:13: oder ihre Nieren reagieren nicht darauf.

00:11:17: Ganz wichtig ist hier eine schnelle Diagnose und Behandlung.

00:11:20: Unbehandelt kann die Erkrankung nämlich zu einer schweren Dehydrierung führen,

00:11:25: also wenn man zu wenig Flüssigkeit in sich hat.

00:11:29: Und diese Dehydrierung kann zu Hirnschäden

00:11:33: oder einer Beeinträchtigung der geistigen Funktion führen.

00:11:37: Also das ist ja schon die zweite wirklich heftige Diagnose,

00:11:41: die dieser kleine Matteo da bekommt.

00:11:43: Und ja, es kommt natürlich auch wie überall auf die richtige Behandlung an,

00:11:47: im Fall von Matteo sah die so aus.

00:11:49: Die Ärzte haben ja rumexperimentiert,

00:11:52: also sprich die haben im Kleinen das Medikament Minirin gegeben,

00:11:56: das soll die Harnausscheidung regulieren,

00:11:58: dass es eben nicht zu Dehydrierung und Schlimmeren kommt.

00:12:02: Und die haben dieses Medikament wohl immer wechselnder Dosierung verabreicht.

00:12:06: Also die haben da gar nicht so den richtigen Weg gefunden.

00:12:08: Und der Kleine wurde dann auch aus dem Krankenhaus entlassen.

00:12:12: Und die Eltern behandelten Matteo mit dem Medikament zu Hause weiter.

00:12:15: So, wie sich herausstellte, half das Medikament Matteo nicht.

00:12:19: Zwei Monate später sollte er deshalb wieder stationär aufgenommen werden,

00:12:24: um ein neues Medikament auszuprobieren.

00:12:26: Dass dafür eine medikamentöse Einstellung,

00:12:29: also wirklich so ein Plan erforderlich ist,

00:12:30: das erfuhren Matteos Eltern nicht.

00:12:33: Und deshalb haben sie auch gesagt,

00:12:34: brauchen wir jetzt auch nicht hier bleiben,

00:12:36: stationäre Aufnahme brauchen wir nicht.

00:12:39: Und dann nehmen wir den Kleinen wieder mit nach Hause.

00:12:41: Und von der behandelnden Ärztin im Krankenhaus gab es noch diesen Rat mit auf den Weg.

00:12:46: Suchen sie sich einen guten Kinderarzt,

00:12:48: der vielleicht eine Idee zur Einstellung des Medikamentes hat.

00:12:52: Also was ist denn jetzt das, Peter?

00:12:54: Also so, im Krankenhaus, wir kriegen es nicht hin.

00:12:56: Tschüss, soll es ein anderer probieren?

00:12:59: Ja, das ist natürlich fatal.

00:13:00: Man muss im Krankenhaus natürlich auch

00:13:03: eine entsprechende Medikamenteneinstellung mitgeben und nicht sagen,

00:13:08: suchen sie sich jemanden, der davon Ahnung hat.

00:13:10: Natürlich ist das die Aufgabe des Krankenhauses,

00:13:14: der Ärztin und Ärzte, die in dem Krankenhaus,

00:13:16: dafür tätig und verantwortlich sind,

00:13:18: das entsprechend mitzugeben.

00:13:19: Ja, ein Unding.

00:13:20: Und der Kinderarzt von Matteo, der hat auch mit den Ohren geschlackert

00:13:24: und hat dann den Eltern sofort einen Kontakt zur Uniklinik hergestellt.

00:13:28: Dann gesagt, jetzt geht ihr mal in ein anderes Krankenhaus.

00:13:31: Das ist hier wirklich ernst.

00:13:32: Wir sollten vielleicht nochmal ganz deutlich sagen,

00:13:34: also diese Hirnhautentzündung,

00:13:36: die ist durch die Antibiotika ja abgeklungen.

00:13:39: Wir wissen aber bisher noch nicht,

00:13:41: welche Schäden sie angerichtet hat.

00:13:43: Das werden wir später noch erfahren.

00:13:45: Das werden wir sogar jetzt erfahren.

00:13:47: In der Uniklinik hat man zum einen

00:13:49: noch weitere hormonelle Störungen festgestellt bei Matteo.

00:13:53: Aber was noch viel tragischer ist,

00:13:56: das sind die Folgen der Hirnhautentzündung.

00:13:58: Matteo hat Hirnschäden davon getragen.

00:14:00: Er leidet an einer erheblichen Seestörung.

00:14:03: Er hat epileptische Anfälle, die sind jetzt auch noch dazugekommen.

00:14:07: Ja, und seine ganze Entwicklung ist eingeschränkt.

00:14:09: Er kann nicht krabbeln und gar nichts machen.

00:14:12: Was andere Babys in seinem Alter definitiv schon können.

00:14:15: Und es weiß auch keiner,

00:14:17: wie weit es überhaupt noch eine Verbesserung geben wird.

00:14:20: Das ist der Stand der Dinge beim kleinen Matteo.

00:14:23: So, und jetzt heißt unser Podcast "Tartort Krankenhaus"

00:14:27: nicht umsonst, auch wenn Ärzte Fehler machen.

00:14:29: Denn auch hier sind definitiv Fehler passiert.

00:14:33: Und unsere aufmerksam Hörer,

00:14:35: ihr seid vielleicht auch über eine Stelle gestolpert.

00:14:37: Über die bin ich nämlich in diesem Fall gestolpert.

00:14:40: Und zwar, als der Matteo zum ersten Mal im Krankenhaus ist,

00:14:44: nachdem er vom Wickeltisch gefallen war.

00:14:46: Da war ja von Menigitis noch gar keine Rede.

00:14:49: Und da hatte seine Mutter und die Ärztin

00:14:52: hatten ja diese weißen Flecken im Mund entdeckt.

00:14:55: Das die Ärztin abgetan hatte als Reste von Muttermilch.

00:14:58: Ich habe irgendwie so das Gefühl, dass da was schon nicht passt.

00:15:02: Dein Gefühl trügt dich nicht, Tanina.

00:15:04: Das ist völlig richtig.

00:15:05: Der gerichtlich bestellte Sachverständige

00:15:08: hat dazu in seinem Gutachten ausgeführt.

00:15:11: Ich greif das schon mal vorweg.

00:15:13: Wir mussten wiederum gerichtlich einklagen.

00:15:16: Und es wurde ein sehr renommierter Sachverständiger

00:15:20: seitens des Gerichts beauftragte.

00:15:22: Und der hatte festgestellt und ausgeführt,

00:15:26: dass bereits zu dem Zeitpunkt, den du gerade benannt hast,

00:15:30: hätten weitergehende Untersuchungen stattfinden müssen.

00:15:33: Blut und Urinuntersuchungen

00:15:35: und die Bestimmung von weiteren Entzündungsparametern.

00:15:39: Was waren denn diese weißen Flecken?

00:15:42: Offensichtlich ja nicht Reste von Muttermilch.

00:15:44: Nein, das waren keine Reste von Muttermilch,

00:15:47: sondern Anzeichen einer vorliegenden Entzündung.

00:15:51: Und da hätte man weitere Maßnahmen ergreifen müssen.

00:15:56: Ich will mal eine Passage aus dem Urteil des Gerichts,

00:16:00: wo sich das Gericht auf den Sachverständigen bezieht,

00:16:03: einmal wörtlich vorgeben, weil es doch sehr, sehr wichtig ist.

00:16:07: Da heißt es,

00:16:08: ausschlaggebend für das Erfordernis weiterer Untersuchungen vornehmen zu müssen,

00:16:13: sei aus seiner Sicht,

00:16:15: dass der Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung

00:16:18: hochfieberhaft gewesen sei.

00:16:20: Bei jungen Säuglingen unter drei Monaten

00:16:23: und das trifft auf den Kläger zu,

00:16:25: sei hohes Fieber in mehr als der Hälfte der Fälle,

00:16:29: etwa 60 Prozent durch eine bakterielle Infektion verursacht,

00:16:34: sodass derartige Kinder zwingend auf eine Meningitis,

00:16:39: beginnende Meningitis oder eine andere schwerwiegende Erkrankung

00:16:44: untersucht werden müssen.

00:16:46: Und zwar auch dann,

00:16:47: wenn wir hier die klinische Untersuchung

00:16:49: keine Auffälligkeiten gezeigt hat.

00:16:52: Also ganz eindeutig,

00:16:53: hier hätte viel mehr gemacht werden müssen

00:16:55: als die reine körperliche Untersuchung

00:16:58: und wenn das in mehr als 60 Prozent der Fällen

00:17:01: auf eine bakterielle Infektion hindeutet,

00:17:05: dann muss man entsprechend weitergehend handeln.

00:17:07: Und man weiß ja,

00:17:08: wie schwerwiegend die Meningitis hinsichtlich der Folgen sein kann

00:17:13: und das wirft der Sachverständige

00:17:15: in dem Fall dem handelnden Arzt,

00:17:17: beziehungsweise der handelnden Ärztin in dem Fall vor.

00:17:20: Ja, wie du schon sagst, Matteo,

00:17:22: wurde ja nicht weiter untersucht,

00:17:23: hat Fieberzäpfchen bekommen, das war's.

00:17:25: Genau, das war in dem Fall

00:17:27: eindeutig nicht ausreichend,

00:17:29: da hätte deutlich mehr gemacht werden müssen.

00:17:32: Und darum ist es letztendlich dazu gekommen,

00:17:35: dass das Gericht gesagt hat,

00:17:37: ja, dem handelnden medizinischen Personal

00:17:41: ist das anzunasten,

00:17:43: es ist zu einer Verurteilung gekommen,

00:17:46: es ist ein Schmerzensgeldbetrag

00:17:47: von 300.000 Euro zugesprochen worden,

00:17:50: weil Matteo ja doch sehr, sehr schwer geschädigt ist.

00:17:54: Und zusätzlich ist festgestellt worden,

00:17:56: dass alle künftigen materiellen Schäden ersetzt werden müssen.

00:18:01: Und gegen dieses Urteil ist in diesem Fall

00:18:04: einmal die Arztseite in Berufung gegangen.

00:18:06: Er hat gesagt, nee, wir akzeptieren dieses Urteil nicht,

00:18:08: das ist nicht richtig,

00:18:10: es hätten keine weitergehenden Untersuchungen

00:18:12: gefertigt werden müssen.

00:18:15: Und die Gegenseite hat aber keinen Erfolg in der zweiten Instanz.

00:18:18: Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung bestätigt

00:18:23: und letztendlich haben wir uns dann in der Folge

00:18:26: verglichen mit der Gegenseite,

00:18:28: ist es insgesamt dann ein Betrag

00:18:30: von knapp unter einer halben Millionen Euro gezahlt,

00:18:32: worden als sogenannte Kapitalabfindung.

00:18:35: Und damit hat das Verfahren,

00:18:37: das über einige Jahre sich hingezogen hat,

00:18:40: was das finanzielle anbelangt

00:18:43: doch noch erfreulichen Abschluss gefunden.

00:18:45: Können wir Eltern vielleicht in Bezug auf

00:18:48: fibrige Kinder, was mit auf den Weg geben,

00:18:51: dass man einem Arzt oder einer Ärztin

00:18:52: vielleicht einfach noch mal drauf hinweist,

00:18:55: könnte es auch eine Meningitis sein?

00:18:57: Ja, wir haben ja gehört,

00:18:59: das hat der Sachverständigen im Prozess ausgeführt,

00:19:01: dass gerade bei Säuglingen unter drei Monaten

00:19:04: in 60 Prozent der Fälle

00:19:06: eine bakterielle Infektion vorliegt

00:19:09: und dann auch eine Meningitis

00:19:10: ausgeschlossen werden sollte.

00:19:12: Also ganz, ganz wichtig.

00:19:14: Und auch wenn die Kinder älter werden,

00:19:16: ist das, was man einfach abklären muss,

00:19:18: natürlich ist nicht jedes Fieber,

00:19:20: steckt nicht hinter jedem Fieber eine Meningitis.

00:19:22: Das versteht sich von selbst.

00:19:24: Also man sollte auch nicht übervorsichtig sein.

00:19:27: Aber wenn es dann weitere Anzeichen gibt

00:19:29: für eine Infektion, wie in diesem Fall

00:19:31: diese weißen Flecken im Mund,

00:19:33: die natürlich auch...

00:19:35: Das Erbrechen, das Hochfieberhafte.

00:19:38: Ich wollte gerade ansetzen und sagen,

00:19:39: die weißen Flecken im Mund können natürlich

00:19:41: auch auf andere Krankheiten hindeuten,

00:19:43: aber in dem Fall war es,

00:19:45: die Meningitis,

00:19:47: dass man entsprechend dann auch schnell handelt.

00:19:49: Weil da ist auch wieder Eile geboten.

00:19:52: Der Sachverständige hat diesen Fehler,

00:19:54: der nicht vorgenommenen Untersuchungen

00:19:56: als einfachen Behandlungsfehler betitelt.

00:19:59: Jetzt stellt sich die Frage,

00:20:01: was wäre denn gewesen,

00:20:02: wenn die Untersuchungen durchgeführt worden wäre?

00:20:05: Da kann man vielleicht den Einwand erheben,

00:20:07: ja, dann wäre der Verlauf identisch gewesen.

00:20:10: Darum muss man weiter fragen,

00:20:11: wenn die Befundungen erhoben worden wären

00:20:14: und man hätte dann nichts unternommen,

00:20:17: wäre dieser Fehler des dann Nichtsunternehmens

00:20:21: als grob zu bezeichnen,

00:20:24: oder immer noch als einfacher Fehler.

00:20:27: Und wenn man es als grob bezeichnen könnte,

00:20:29: dann muss der Arzt beweisen,

00:20:31: dass auch, wenn er rechtzeitig gehandelt hätte,

00:20:36: das Ergebnis identisch gewesen wäre.

00:20:39: Also der Schaden, der eingetreten wäre,

00:20:40: wäre genauso eingetreten,

00:20:41: auch wenn er zum richtigen Zeitpunkt

00:20:43: die Untersuchung gemacht hätte.

00:20:45: Das ist der große Unterschied,

00:20:47: weil sonst muss der Patient beweisen,

00:20:50: dass die Folgen nur auf dem Fehler beruhen.

00:20:53: Und das hätte das Kind hier in dem Fall nicht können.

00:20:56: Und der Fehler wurde letztendlich als grob angesehen.

00:21:00: Und deswegen musste der Arzt es beweisen,

00:21:03: er konnte das nicht,

00:21:04: das bleibt einfach in der Medizin oftmals offen.

00:21:07: Und dann hat sich die Beweislast umgekehrt.

00:21:10: Und das war der Vorteil in dem Fall,

00:21:12: dass man sagen konnte, ja, wir gehen davon aus,

00:21:15: dass alle Folgen darauf beruhen,

00:21:18: dass die Untersuchungen nicht gemacht worden sind.

00:21:21: Das ist jetzt sehr verkürzt.

00:21:23: Ja, mir ist ein bisschen karussellig im Kopf.

00:21:25: Das hat andere Gründe.

00:21:27: Das stimmt natürlich.

00:21:28: Und deswegen kann man froh sein,

00:21:30: dass es Menschen wie dich gibt,

00:21:31: die solche Zusammenhänge durchaus verstehen

00:21:34: und wissen, wo da die Hebel anzusetzen sind.

00:21:37: Ja, diese Thematiken kennen natürlich die Arzthaftungsrechtler.

00:21:40: Das ist ganz, ganz wichtig.

00:21:42: Diese Abgrenzung, Diagnosefehler, Befunderhebungsfehler.

00:21:46: Und darum sollte man immer schauen,

00:21:47: dass man zu jemanden geht, der was davon versteht,

00:21:50: schauen, dass jemand Arzthaftungsrecht macht.

00:21:52: Weil das ist so ein Unterpunkt des Medizinrechts.

00:21:55: Und da muss man zu Hause sein.

00:21:57: Also, es ist nicht das erste Mal, dass du uns darauf hinweist,

00:21:59: aber es ist wichtig, dass du uns darauf hinweist.

00:22:02: Peter, wir danken dir sehr für diese Ausführungen.

00:22:04: Vielleicht müsst ihr den letzten Part noch ein zweites Mal hören,

00:22:08: weil wirklich für so Leien-Ohren ist das kompliziert.

00:22:10: Aber ich glaube, im Kern haben wir es verstanden.

00:22:13: Wir freuen uns auf jeden Fall auf die nächste Woche.

00:22:15: Schaltet gerne wieder rein.

00:22:16: Und wenn ihr zwischendurch mal wissen möchtet,

00:22:18: was bei uns sonst so los ist,

00:22:20: dann folgt uns doch einfach auf Instagram.

00:22:22: "Tatort Krankenhaus".

00:22:24: Da findet ihr uns auch.

00:22:25: Für heute, tschüss!

00:22:27: Tschüssi!

00:22:27: "Tatort Krankenhaus".

00:22:29: Der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:22:32: SWR 2021