Tatort Krankenhaus - die Bandscheibe

Shownotes

Christian hat einen Bandscheibenvorfall und starke Schmerzen. Nach einer zunächst konservativen Behandlung wird Christian operiert… Danach ist Christians Leben nicht mehr das Alte. Zudem werden zu den Themen "Aufklärung" und "Schmerzensgeldzahlung" interessante Aspekte aufgezeigt.

Die langjährige Radiomoderatorin Tanina Rottmann und der aus dem TV bekannte Patientenanwalt Peter Gellner schildern auf verständliche Art und Weise echte Fälle ärztlicher Kunstfehler und geben wertvolle Tipps aus der Insiderperspektive.

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Transkript anzeigen

00:00:00: * Musik *

00:00:03: "Tatort Krankenhaus", der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:00:28: Wie schön, ihr habt den Weg wieder zu uns gefunden.

00:00:31: Eine neue Folge "Tatort Krankenhaus, wenn Ärzte Fehler machen".

00:00:35: Heute können wir sagen, hallo, konnichiwa, servus, grüezi,

00:00:39: Buenos dias, bonjourno, weil wir sind mit unserem Podcast total international.

00:00:46: Peter, du hast das mal genau eruiert.

00:00:49: Ich liebe Zahlen und unsere Plattformen, über die wir das ganze hosten,

00:00:53: gibt da auch einen tollen Einblick, in welchen Ländern wir überall gehört werden.

00:00:57: Es sind mittlerweile 128 Länder.

00:01:00: Natürlich ist Deutschland an der Spitze, gefolgt von Österreich und der Schweiz.

00:01:05: Wir werden aber auch gehört, jetzt neuerdings im Oman,

00:01:09: in Chile, Ecuador, auf den britischen Jungferninsel.

00:01:13: Soll schön da sein.

00:01:15: Somalia, gib mir noch was.

00:01:17: Honduras, Bangladesch, Elfenbeinküste und Kambodscha.

00:01:21: In der UN sind gerade knapp über 200, also wir haben schon drei Viertel.

00:01:25: Der Weltbevölkerung haben wir bei Tatort-Krankenhaus vereinnahmt.

00:01:30: Im Sack quasi. War nicht Nepal auch dabei?

00:01:34: Nepal, ja, da haben wir sogar acht Hörer.

00:01:37: Die sind wahrscheinlich an irgendeinem Basecamp am Himalaya

00:01:41: und haben nichts besseres zu tun, als unseren Podcast zu hören.

00:01:44: Großartig, schöne Grüße gehen raus nach Nepal.

00:01:48: Ja, es ist wirklich eine Freude, das zu sehen.

00:01:51: Ich hätte nicht gedacht, dass wir auch in Österreich und der Schweiz

00:01:55: auf Platz 1 der Medizin Charts stehen.

00:01:58: Also muss es doch da auch viele Interessierte geben für unseren Podcast

00:02:02: und das freut uns wirklich außerordentlich.

00:02:06: Ja, vielen herzlichen Dank, jeder Einzelne von euch.

00:02:08: Sei gegrüßt und ihr wisst natürlich jetzt,

00:02:11: dass ihr zu einer sehr erfolgreichen Gruppe gehört,

00:02:14: zu der ihr euch zählen könnte, zu den Fans von Tatort-Krankenhaus.

00:02:18: Vielen Herzlichen Dank. Sollen wir mal einen neuen Fall in die Runde werfen?

00:02:22: Sehr gerne, liebe Tanina.

00:02:24: Oh, heute ist ja ganz besonders charmant, das muss an diesen tollen Zahlen liegen.

00:02:28: Heute geht es um den Fall von Christian.

00:02:31: Christian ist 43 Jahre alt, also noch relativ jung.

00:02:35: Er ist Elektromeister.

00:02:37: Mit seiner Frau Verena hatte er einen 16-jährigen Sohn.

00:02:40: Vor einem Jahr unternahm die kleine Familie

00:02:42: noch einen gemeinsamen Wanderurlaub in Österreich.

00:02:45: Heute allerdings kann Christian keinen Fuß mehr vor den anderen setzen,

00:02:49: seinen Beruf nicht mehr ausüben

00:02:52: und auch mit seinem Sohn nicht mehr im Garten Fußball spielen.

00:02:55: Christian ist an den Rollstuhl gefesselt, er ist Querschnittsgelehnt.

00:02:59: Ja, ihr merkt, das ist heute wieder ein besonders tragischer Fall, den wir euch mitbringen.

00:03:03: Einer, der vielleicht schicksalhaft eingetreten

00:03:06: oder das Ergebnis eines Behandlungsfehlers ist.

00:03:09: Peter, über den Unterschied haben wir ja auch schon einige Mal

00:03:12: hier im Podcast gesprochen, vielleicht noch mal eine ganz kurze Erklärung von dir

00:03:15: und vielleicht kannst du uns auch sagen, in welchem Verhältnis das

00:03:18: in deiner Praxis vorkommt.

00:03:20: Ja, das ist eine sehr gute Frage, weil es ist nicht immer so,

00:03:24: dass wenn man nach einer schwierigen Operation beispielsweise

00:03:29: querschnittsgelähmt ist, dass das auf den Fehler zurückzuführen ist.

00:03:33: Eine Querschnittslähmung kann eine schicksalhaft eingetretene Komplikation sein.

00:03:38: Also da muss man immer schauen, man kann nicht rückschließen

00:03:41: vom Gesundheitszustand darauf, dass ein Fehler passiert ist.

00:03:45: Also da muss man immer genau schauen, ist das vielleicht auch möglicherweise schicksalhaft eingetreten.

00:03:50: Statistisch wissen wir natürlich jetzt nicht, wie das in der Medizin stattfindet,

00:03:54: aber so bei dir, was in deiner Kanzlei landet, kannst du da ungefähr sagen,

00:03:58: so und so oft ist das schicksalhaft oder tatsächlich ein Fehler?

00:04:02: Ich würde mal sagen, was jetzt Querschnittslähmungen anbelangt,

00:04:05: ist es, hält sich es etwa die Waage, also ich würde mal sagen 50/50.

00:04:10: Ob das jetzt generell auch so ist, würde ich eher nicht vermuten wollen.

00:04:15: Also ich denke, da werden sicherlich mehr Fälle schicksalhaft eintreten,

00:04:19:  als auf einem Behandlungsfehler beruhen.

00:04:22: Bei Christian ist es so, dass er an einem Freitag als Elektromeister im Einsatz ist.

00:04:28: Es ist kurz vor Feierabend, kurz vor Wochenende er freut sich drauf.

00:04:31: Er will noch eben sein Arbeitsmaterial zusammenräumen.

00:04:34: Da schießt ihm ein fürchterlicher Schmerz in den Rücken.

00:04:37: Im ersten Augenblick bleibt ihm die Luft weg, er kann sich kaum aufrichten.

00:04:41: Er denkt sich, nein, um Gottes Willen nicht schon wieder ein Hexenschuss.

00:04:45: Den Schmerz kennt er nämlich schon und das war beim letzten Mal schon kein Spaziergang.

00:04:50: Hattest du schon mal ein Hexenschuss?

00:04:52: Ich kenne diesen Schmerz gar nicht, Gott sei Dank.

00:04:54: Ja, ich hatte das schon einige Male, das ist eine Schwachstelle, die ich habe,

00:04:58: der Ischiasnerv und leider ist das eine meiner Schwachstellen.

00:05:03: Das muss fürchterlich wehtun oder wie sonst Stromschlag stelle ich mir das vor?

00:05:07: Ja, aber es zeigt auch eine gewisse Demut, weil man ja nur nach vorne gebeugt gehen kann,

00:05:13: wenn überhaupt. Also es lässt einen demütig zumindest aussehen.

00:05:17: Ja, zu diesem Zeitpunkt ahnt Christian noch nicht, dass der Hexenschuss die bessere Variante gewesen wäre.

00:05:23: Wie sich später herausstellt, ist es bei ihm ein Bandscheibenvorfall.

00:05:27: Den hatte ich zum Glück auch noch nicht. Ich hoffe, ihr auch nicht, aber für den Fall der Fälle.

00:05:32: Wo unterscheiden sich denn ein Hexenschuss und ein Bandscheibenvorfall?

00:05:37: Ein Hexenschuss erkennst du klassischerweise daran, dass der Rückenschmerz sehr plötzlich kommt.

00:05:42: Das ist meist so eine unachtsame Bewegung. Man hebt die Kiste Wasser auf,

00:05:46: ohne dass man in den Knien sich beugt, so aus dem Rücken hochgehoben und zack.

00:05:51: Die gute Nachricht dabei ist, aber ein Hexenschuss tritt in den allermeisten Fällen ja ohne schlimmere Verletzungen auf

00:05:56: und der ist ja auch so ein bisschen wie in Schnupfen. Die Symptome lassen so gut nach einer Woche dann auch von selber nach.

00:06:01: Man muss Geduld aufbringen und dann heilt er im Regelfall von alleine wieder ab.

00:06:07: Das ist aber beim Bandscheibenvorfall auch deutlich langwieriger.

00:06:12: Beim Bandscheibenvorfall sind die Bandscheiben oder mehrere Bandscheiben nicht mehr in der Position,

00:06:18: in der sie eigentlich sein sollten. Die sind ein Stück weit verrückt.

00:06:22: Je nachdem, wie weit, kann der Nerv mehr oder weniger tangiert sein

00:06:27: und kann dann auch entsprechend zu Beschwerden führen bis hin zu Lähmungen

00:06:33: und dann ist ein operatives Vorgehen angezeigt. Aber die meisten Bandscheibenvorfälle lassen sich an sich konservativ behandeln,

00:06:42: aber werden doch oftmals und wie viele auch Mediziner sagen zu oft operativ angegangen.

00:06:50: Dazu habe ich vorhin auch eine Statistik gelesen. Also die Zahlen steigen, der Operation, wo dann natürlich gleich eine Überschrift war,

00:06:56: die Zahl der unnötigen Bandscheibenoperationen, die da wirklich steigt in letzter Zeit.

00:07:01: Also bei Christian handelt es sich definitiv um einen Bandscheibenvorfall.

00:07:05: Diese Diagnose erstellt zunächst der Notarzt und sie wird anschließend auch im Krankenhaus bestätigt.

00:07:11: Christian hat starke Schmerzen in der linken Leiste.

00:07:14: Das strahlt in die linke Gesäßhälfte und in den Oberschenkel aus.

00:07:18: Die Ärzte überlegen, ob sie operieren sollen.

00:07:21: Nach einer Röntgenuntersuchung entscheiden sie sich aber erst einmal dagegen.

00:07:25: Und verabreichen ihm vier Spritzen.

00:07:28: Da nehme ich an, dass es sich da um Schmerzmittel handelt oder vielleicht ein Anästhetikum.

00:07:34: Das wissen wir nicht genau, das geht jetzt hier raus nicht hervor.

00:07:37: Ja, meistens wird ein Lokal-Anästhetikum Prilokain, Lidokcain zum Beispiel, in Verbindung mit Cortison gespritzt.

00:07:46: Das ist so eine häufige Vorgehensweise.

00:07:48: Also wie gesagt, wir wissen zu diesem Fall jetzt nicht ganz genau.

00:07:50: Hier ist die Rede von vier Spritzen, die bringen auch keine Besserung.

00:07:54: Genauso wenig wie vier weitere Spritzen am nächsten Tag.

00:07:58: Jetzt entscheiden sich die Ärzte einer Myolografie.

00:08:02: Das ist ein bildgebendes Verfahren, bei dem ein Kontrastmittel in den Wirbelkanal gespritzt

00:08:08: und dann anschließend eine Röntgenaufnahme gemacht wird.

00:08:11: Mit dem Untersuchungsergebnis in der Hand wird entschieden,

00:08:14: Christian soll jetzt doch an der Lendenwirbelsäule operiert werden.

00:08:18: Nach der Operation verspürt Christian einen starken, brennenden Schmerz im gesamten rechten Bein.

00:08:24: Außerdem hat er kein Gefühl mehr unterhalb des Knies und des Gesäßes.

00:08:28: Er bekommt jetzt starke Schmerzmittel.

00:08:30: Zweimal wird ihm eine hohe Dosis verabreicht, aber auch das bringt nichts.

00:08:35: Im Gegenteil, die Schmerzen verschlimmern sich noch.

00:08:38: Mit diesen unerträglichen Schmerzen wird Christian einen Tag nach der Operation wieder in den OP gebracht.

00:08:43: In dieser Not OP findet der Arzt Bandscheiben Reste und auch ein Hämatom, das auf den Spinalkanal drückt.

00:08:50: Beides entfernt der Operateur, aber die Schmerzen bleiben.

00:08:54: Einen Tag später folgt schon die nächste Notoperation.

00:08:57: Sie dauert vier Stunden.

00:08:59: Zu viel für Christian.

00:09:00: Sein Körper macht schlapp, sein Kreislauf bricht zusammen

00:09:03: und man verlegt ihn jetzt auf die Intensivstation.

00:09:05: Dort bekommt er Blutkonserven.

00:09:07: Nach einem Tag auf der Intensiv ist er soweit stabil.

00:09:11: Er kann wieder auf die normale Station gebracht werden.

00:09:14: Leider geht es aber nicht weiter bergauf.

00:09:17: Die Ärzte sagen ihm, dass sich schon wieder ein Bluterguss an der Operationstelle gebildet hat.

00:09:22: Wieder wird Christian operiert und wieder wird weiteres Bandscheibenmaterial entfernt.

00:09:28: Die Schmerzen, die Christian nach dem Eingriff weiterhin hat, erklärt ihm der behandelnde Arzt so.

00:09:33: Das verbliebende Bandscheibenmaterial habe die Nerven im Spinalkanal gereizt.

00:09:39: Nur gereizt.

00:09:40: Die Nerven und auch der Spinalkanal seien unverletzt.

00:09:43: Und diese Reizung würde auch abklingen, die Schmerzen verschwinden,

00:09:47: was sie bei Christian aber nicht tun.

00:09:50: Die Schmerzen sind nicht das Einzige, das ihn quält.

00:09:53: Nach wie vor spürt er Teile seiner Beine nicht.

00:09:56: Das untersucht man jetzt auf der neurologischen Station des Krankenhauses.

00:10:00: Und dort beschließt man, dass es wohl doch eine bessere Idee ist,

00:10:03: Christian in eine andere Klinik zu überweisen.

00:10:06: Das passiert auch noch am selben Tag.

00:10:08: Und auch da wird er direkt wieder operiert.

00:10:11: Bei diesem Eingriff sind die Ärzte entsetzt über das, was sie alles finden.

00:10:15: Und das sind immer noch im Operationsbereich.

00:10:18: Blutreste, Bandscheibenmaterial, Knochenreste und weitere Verunreinigungen.

00:10:23: Alles im Bereich der Wirbelsäule.

00:10:25: Und sie machen noch eine gravierende Entdeckung.

00:10:28: Bei Christian muss in einer der vorangegangenen Operationen in dem anderen Krankenhaus die Dura verletzt worden sein.

00:10:35: Da sind Risse erkennbar und es läuft Liquor aus.

00:10:39: So, das sind jetzt ein paar Begriffe.

00:10:41: Da sollten wir vielleicht noch mal ganz kurz ein bisschen nachhaken.

00:10:43: Was ist die Dura?

00:10:45: Also unter Dura, man sagt auch Duralsack oder Durasack,

00:10:48: versteht man eigentlich in erster Linie die Schutzhülle

00:10:51: um das Rückenmark und die abgehenden Nervenwurzel.

00:10:55: Schutzhülle für mechanische Schäden, dass diese nicht eintreten.

00:10:59: Und der Duralsack ist mit Rückenmarksflüssigkeit gefüllt.

00:11:04: Und die nennt man abgekürzt zumindest Liquor.

00:11:08: Danke dir Peter.

00:11:10: Außerdem findet man bei Christian auch verletzte Fastzikel.

00:11:13: Das sind jetzt so ganz einfach ausgedrückt zusammengefasste Nerven- oder Muskelfasern,

00:11:17: die eben in ihrer Form an einen Bündel erinnern.

00:11:20: Und diese ganzen Schädigungen sind so gravierend, dass Christian heute im Rollstuhl sitzt.

00:11:25: Beide Beine unterhalb des Knies sind gelähmt.

00:11:28: Der Fußheber an beiden Beinen funktioniert nicht.

00:11:31: Er hat kein Gefühl in den Beinen, dagegen aber ständige und auch immense Schmerzen in den Füßen.

00:11:37: Dazu kommt, dass er nicht eigenständig Wasser lassen oder Stuhl abgeben kann.

00:11:41: Diese Funktion übernehmen jetzt Katheter.

00:11:44: Und das Leben von Christian können wir uns heute nur ansatzweise vorstellen.

00:11:48: Also er ist natürlich sehr eingeschränkt.

00:11:50: Und auch für seine Familie ist die Belastung groß, denn sie übernimmt größtenteils seine Pflege.

00:11:55: Also wirklich ein Bandscheibenvorfall, wie er sehr, sehr häufig vorkommt.

00:12:00: Und in diesem Fall wirklich mit ganz fatalen Folgen.

00:12:04: Bei Christian ist die Behandlung ja wirklich gründlich schief gelaufen.

00:12:08: Peter, als der Fall von Christian bei dir gelandet ist, was war denn da so dein erster Gedanke?

00:12:12: Mein erster Gedanke ist in fast allen Fällen der Gleiche.

00:12:16: Ich lasse mich nicht verlocken davon, dass jetzt ein Gesundheitsschaden vorhanden ist

00:12:21: und dann direkt darauf schließen zu wollen, dass der Fehlerhaft herbeigeführt worden ist.

00:12:26: Da sollte man sich nicht direkt darauf kaprizieren, sondern man sollte da offen rangehen und schauen,

00:12:30: wir haben hier den Gesundheitsschaden und jetzt muss man schauen, wie es dazu gekommen ist.

00:12:35: Ein Hämatom kann häufig nach einer Bandscheiben-OP auftreten

00:12:41: und kann auch entsprechende negativen Folgen zeitigen.

00:12:45: Das muss nicht auf einem ärztlichen Fehler zurückzuführen sein.

00:12:49: Darum bin ich da immer sehr, sehr vorsichtig verspreche den Mandanten nicht,

00:12:53: das geht gut aus, das sieht gut aus, machen sich da keine Sorgen, das ist ein klarer Fehler.

00:12:57: Nein, also das wäre unseriös und verfrüht festzustellen, sondern man muss sich dann der ganzen Sache

00:13:02: step by step nähern und schauen, wo kriegt man das Ganze zu packen.

00:13:07: Auch rechtlich zu packen, nicht nur medizinisch zu packen.

00:13:10: Darum schließe ich da erstmal nicht zurück, sondern taste zu mich so nach

00:13:15: und nach an den Fall ran. Dann machen wir das jetzt auch. Was war denn euer erster Step?

00:13:19: Ja, wir haben uns in dem Fall auch die Behandlungsdokumentation besorgt und die dann sehr sorgsam gesichtet

00:13:27: und haben in dem Fall einen externen Gutachter mit hinzugezogen. Wir haben so ein ganz

00:13:34: Portfolio von medizinischen Sachverständigen, die uns unterstützen. Bei der Auswahl war uns immer

00:13:42: wichtig, dass das keine Gutachter sind, die Gefälligkeitsgutachten erstellen. Weil dann erweist man dem

00:13:49: Mandanten und sich selbst einen Bärendienst, wenn das Gutachten dann vor Gericht keinen Bestand hat.

00:13:54: Also wir wollen dann schon eine objektive Einschätzung, auch wenn die dann mal negativ ist. Das ist besser

00:13:59: als so aufs Glatteis geführt zu werden mit einem Gefälligkeitsgutachten, weil man es ja bezahlt,

00:14:05: dass der Gutachter dann auch entsprechend das schreibt, was man hören will. Also da haben wir

00:14:09: schon sehr sorgsam ausgewählt, wer bei uns in den Sachverständigen Rat kommt und da wissen wir,

00:14:16: wenn wir da eine Meinung bekommen, dann passt die auch soweit. Wenn ich mir so einen Punkt von diesem

00:14:22: Gutachten anschaue, das spielt dann aber schon auch in dein und auch in Christian's Ende. Da

00:14:27: bemängelt der Gutachter nämlich Fehler angefangen schon bei der Aufklärung im Krankenhaus. Ja,

00:14:33: hier gibt es, bzw. gab es zwei Ansatzpunkte. Einmal konnten wir darlegen, dass er nicht

00:14:41: ausreichend über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist. Das ist jetzt wieder der Punkt,

00:14:46: den wir zu Anfang auch hier diskutiert haben. Es wird oftmals viel zu schnell operiert. Es gibt

00:14:53: aber noch ganz andere Alternativen. Konservative. Obwohl sie ja erst nicht operieren wollten, aber nach dem

00:14:58: Röntgenbild haben sie sich dann ja doch zur OP entschieden. Genau. Oftmals bleibt auch nur

00:15:03: die Operation als Möglichkeit. Wenn wirklich Lähmungen da sind, dann muss operiert werden,

00:15:09: um Schlimmeres zu verhindern. Aber oftmals, wie gesagt, in 90 Prozent der Fälle, so die

00:15:15: Einschätzung von vielen Medizinern wären auch konservative Maßnahmen ausreichend gewesen. Und

00:15:21: über die muss man auch aufklären. Also über adäquate Behandlungsalternativen muss aufgeklärt

00:15:27: werden. Und das war hier in dem Fall nicht so. Und er ist auch nicht über die Risiken der Operation

00:15:34: zumindest vollständig aufgeklärt worden. Es wurde nämlich verabsäumt, zu sagen, dass es auch zu

00:15:42: einer Querschnittslähmung mit einhergehender Lähmung der Blasen- und Darmfunktion kommen kann.

00:15:49: Also die haben nicht so den üblichen Aufklärungsbogen verwendet, sondern so einen selbst gestrickten

00:15:55: und da stand das nicht mit drin. Und deswegen haben wir da angesetzt und vielleicht schon mal

00:16:02: vorgreifend jetzt auf das gerichtliche Verfahren, wie es so häufig abläuft. Und zwar ist es so,

00:16:09: dass der Arzt muss nachweisen, dass er ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Dazu bedient er sich einmal

00:16:16: das Aufklärungsbogen, den er vorlegt, unterzeichnet vom Patienten. Das ist aber nur ein Indiz. Es ersetzt

00:16:24: nicht die mündliche Aufklärung. Also der Arzt muss auch immer mündlich über, in dem Fall,

00:16:29: Behandlungsalternativen und Risiken der Operation aufklären. Da wird er im Regelfall zu vernommen

00:16:37: und oftmals kann er sich dann noch an den Fall erinnern. Und wenn nicht, gibt die Rechtsprechung

00:16:43: ihm so eine Art Krücke, dass es quasi auch ausreicht. Und über das kann man sehr diskutieren. Und ich

00:16:51: halte es auch nicht unbedingt für richtig, wie er üblicherweise aufklärt. Und das lassen viele

00:16:57: Gerichte dann ausreichen. Also da sehe ich einen Ansatzpunkt als Patientenanwalt zu sagen,

00:17:02: das ist so einfach, könnt ihr das nicht machen. Und es wird der Arztseite noch eine weitere Krücke

00:17:07: an die Hand gegeben, die sogenannte hypothetische Einwilligung. Also es wird gefragt, wenn der

00:17:15: Patient ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, hypothetische Einwilligung, sagt dann der Arzt,

00:17:22: dann hätte er der Operation auch zugestimmt. Und darum kann man keine Aufklärungsrüge erheben. In

00:17:29: dem Fall muss der Patient darlegen, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, hätte er sich

00:17:36: zumindest in einem Entscheidungskonflikt, das ist so der rechtliche Terminus, befunden, ob bei

00:17:42: die Operation hätte durchführen lassen wollen oder vielleicht eine Second Opinion, eine zweite

00:17:49: Meinung einholen oder in einem anderen Krankenhaus, was vielleicht noch spezialisierter ist, dass es

00:17:54: alles ausreichend für einen Entscheidungskonflikt. Es muss nicht so sein, dass er sagen muss, das

00:18:00: denken viele, aber das ist nicht richtig. Er muss nicht sagen, ich hätte die Operation dann überhaupt

00:18:05: nicht gemacht. Das ist nicht entscheidend. Es reicht dann schon aus dieser Entscheidungskonflikte.

00:18:10: Das ist wichtig zu wissen. Und so kann man dann auch ein Stück weit die hypothetische Einwilligung,

00:18:16: das ist ein Einwand, den die Artseite erhebt, aushebeln. Ich habe noch eine Frage zu dem

00:18:21: Aufklärungsgespräch. Ich kenne das auch bei meiner letzten OP. Natürlich wurde dieser Patienten

00:18:25: bogen, was kann alles passieren und so weiter, wurde mit mir zusammen ausgefüllt und wir haben ja

00:18:30: währenddessen drüber geredet. Er hat mir auf Fragen gestellt, hat das dann erklärt und hinterher

00:18:34: habe ich das unterschrieben. Ist das das Aufklärungsgespräch, weil er das halt mitkommentiert hat?

00:18:38: Genau. Also meistens machen die Ärzte dann irgendwelche Zeichnungen. Genau, der hat sich so an

00:18:44: diesem Bogen entlang gehangelt. Der hatte sogar schon Zeichnungen. Das war alle schon vorbereitet.

00:18:47: Ja, das machen die oft im Beisein des Patienten, erklären das und das ist ja auch gut und richtig,

00:18:53: dass die dann den Patienten in die Lage versetzen zu beurteilen, was kommt auf mich zu,

00:18:57: welche Risiken gehe ich ein, möchte ich das oder möchte ich das nicht. Das ist die ideal typische

00:19:04: Herangehensweise. Aber oftmals wird das delegiert beispielsweise an einen Krankenpfleger oder

00:19:11: einen Krankenschwester, die sind aber zur Aufklärung nicht legitimiert. Das ist nicht

00:19:15: ausreichend. Da werden halt viele Fehler gemacht, aus unterschiedlichsten Gründen. Manchmal ist

00:19:21: nicht ausreichend Zeit vorhanden. Manchmal ist der Abstand zeitlicher Natur zur Operation zu knapp.

00:19:27: Ich will nicht sagen, aber die Fälle hatten wir auch. Man liegt schon auf der Operationsliege und

00:19:31: kreigt dann noch schnell gesagt, welche Risiken sind. Je umfangreicher, je komplizierter ein

00:19:36: Eingriff ist, umso größer muss der Abstand zwischen Aufklärung und Operation sein. Der darf

00:19:43: aber auch, lass mich den Satz noch gerade sagen, der darf aber auch nicht zu lange sein. Also,

00:19:48: wenn man drei Monate ist es her, dass man aufgeklärt worden ist und dann wird man operiert,

00:19:53: kann das auch schon wieder ein Fehler sein. Also die zeitliche Komponente bei der Aufklärung spielt

00:19:59: auch eine sehr, sehr große Rolle neben der inhaltlichen Aufklärung. Wenn der Arzt jetzt hinterher

00:20:04: sagt, ja, ich habe den Patienten aufgeklärt, der Patient sagt aber, ja, stimmt, hat er aber

00:20:07: seit genau drei Minuten gedauert. Ja, es gibt keine Anforderungen an die Länge, aber je umfangreicher,

00:20:13: je komplizierter eine Operation ist, umso mehr muss man natürlich auch aufklären. Das versteht

00:20:18: sich von selbst. Und man muss sich auch anpassen an denjenigen, der vor einem sitzt. Wenn man merkt,

00:20:24: der hat ein gewisses Verständnisproblem, da muss man sich auch mehr Zeit nehmen und schauen,

00:20:30: dass der auch versteht, was man ihm sagt. Oder wenn Kinder operiert werden, das ist auch rechtlich

00:20:37: höchst kompliziert. Braucht man die Zustimmung beider Elternteile oder nur eines Sorgeberechtigten

00:20:45: oder gar nicht oder mit 17,5 kann das dann der minderjährige Patient selbst entscheiden. Da gibt

00:20:52: es auch einen unheimlichen Katalog von Rechtsprechungen. Was ist es in welchem Moment die Anforderung an

00:20:58: die Aufklärung. Also viele, viele rechtliche Probleme neben den medizinischen. Jetzt machen wir

00:21:04: den Haken wieder zurück und sind wieder bei Christian. Über die fehlende Aufklärung haben

00:21:08: wir gesprochen. Das steht so in dem Gutachten auch, dass da einiges versäumt wurde oder das

00:21:12: meiste sogar. Und in dem Gutachten wird auch eine grob fehlerhafte Behandlung festgestellt. Der

00:21:20: gerichtlich beauftragte Gutachter. Ihr hört schon, wir mussten uns wieder mit der Gegenseite vor

00:21:26: Gericht auseinandersetzen. Der stellte fest, dass nach der ersten Operation nicht ausreichend weiter

00:21:35: abgeklärt worden ist, warum die Beschwerden noch so vorliegen. Es wurden nicht die notwendigen

00:21:41: Befunde erhoben. Es liegt ein sogenannter Befunderhebungsfehler vor. Wenn beispielsweise in dem

00:21:48: Fall ein CT gemacht worden wäre, hätte man sofort das Hämatom erkannt und entsprechend

00:21:54: frühzeitiger behandeln können. Und das zu unterlassen ist dann ein grober Behandlungsfehler. Und er hat

00:22:02: weiterhin festgestellt, das was wir auch eingangs sagten, wenn es zur Dura-Verletzungen kommt,

00:22:08: das lässt nicht unbedingt auf ein Behandlungsfehler schließen, so wie ich das auch erläutert habe.

00:22:14: Hier kam es aber an fünf Stellen zu einer Verletzung, an fünf Stellen. Und dann spricht

00:22:22: schon eine ganze Menge dafür, dass die erforderliche Sorgfalt in dem Fall nicht

00:22:27: walten gelassen wurde und das wurde als weiterer Fehler angesehen.

00:22:33: Jetzt hat es keinen Urteil gegeben, sondern ihr habt euch mit einem Vergleich getrennt. Wie ist

00:22:39: das ausgegangen? Ja, wieso häufig vergleicht man sich in diesen Fällen. Also die Gegenseite hat

00:22:45: sich dann auch überzeugen lassen, dass mehrere Fehler gemacht worden sind in verschiedenen Bereichen,

00:22:50: sodass es zu einer Regulierung kommen muss. Und hier wurde ein Gesamtbetrag von 600.000 Euro

00:23:00: als Vergleichsbetrag zugrunde gelegt und die dann auch nebst den Zinsen dann ausgezahlt worden

00:23:08: sind. Und ja, insoweit war der Mandant, was das finanzielle anbelangt, schon zufrieden, aber wie

00:23:16: schon häufig an dieser Stelle gesagt, er würde lieber laufen können, als jetzt das Geld zu nehmen.

00:23:21: Das hat den Schaden für ihn persönlich natürlich nicht ansatzweise ersetzen können.

00:23:26: Diese 600.000 Euro, die sind ja wir auch nicht das Schmerzensgeld, sondern alles, was ja noch kommt,

00:23:31: sein Verdienstausfall, er kann ja in seinem Job gar nicht mehr arbeiten, alles, was im Haus vielleicht

00:23:36: verändert werden muss, damit er mit dem Rollstuhl durch das müssen, muss die Familie jetzt alles

00:23:40: von diesem Geld bestreiten. Ja, wir achten immer darauf, dass wenn wir so einen Vergleich schließen,

00:23:47: dass wir die, wenn es möglich ist und darzustellen ist, dass der höchste Betrag als Schmerzensgeld

00:23:54: quasi gezahlt wird. Warum machen wir das? Weil das Schmerzensgeld ist steuerfrei. Also man muss es

00:24:00: nicht versteuern. Wenn beispielsweise der Löwenanteil der Verdienstausfallschaden ist,

00:24:06: da muss das auch versteuert werden. Man kann das zwar auch mit aufnehmen im Vergleich

00:24:10: des steuerlichen Nachteils, die im Nachgang entstehen, noch ausgeglichen werden müssen,

00:24:16: aber es ist immer besser, dass man gar keine Steuern zahlen muss und aufs Schmerzensgeld

00:24:21: zahlt man keine Steuern. Und das ist auch wichtig zu wissen. Das wissen auch viele Anwälte nicht,

00:24:26: wie man das am besten gestaltet. Und in dem Fall haben wir darauf geachtet, dass möglichst die

00:24:31: Steuerlast gering ist. Und wenn, das hatten wir auch noch mit aufgenommen, dass die steuerlichen

00:24:36: Nachteile auszugleichen sind von der Gegenseite. Das ist sehr oft auch in außergerichtlichen

00:24:41: Vergleichen. Das darf man nicht vergessen, sonst kommt die böse Überraschung irgendwann mal.

00:24:45: Und man muss das ja als Einkünfte mit angeben bei der Steuererklärung. Das machen manche nicht,

00:24:51: aber das ist schon insoweit dann auch rechtswidrig. Lass mich vielleicht noch eine doofe Frage stellen.

00:24:58: Vielleicht ist sie auch nicht doof. Aber wenn ich jetzt diese Summe, die dann auch das ausgleichen,

00:25:02: was ja in den Folgejahren alles noch so an Kosten anfällt, ausgleichen soll, ist dann in dem

00:25:07: Augenblick eine Krankenkasse komplett raus. Man braucht vielleicht noch ein besonderes Bett oder

00:25:11: einen anderen Rollstuhl oder so. Muss das dann alles von dieser Summe bezahlt werden oder gibt es dann

00:25:16: auch noch was, was die Krankenkasse übernimmt? Das ist keine dumme Frage. Das ist eine sehr gute

00:25:20: Frage. Also es ist so, dass der Anspruch gegenüber der Krankenkasse überhaupt nicht davon tangiert

00:25:27: wird, ob man Anspruch gegen einen Schädiger hat. Also alles, was zu zahlenist,  muss die Krankenkasse

00:25:33: erst mal gegenüber dem Versicherungsnehmer schon bezahlen, nimmt dann Regress gegenüber dem Schädiger

00:25:40: und holt sich da das Geld wieder. Aber kann nicht gegenüber dem Geschädigten sagen, von uns kriegst

00:25:46: du nichts, guck, dass du das bei der Gegenseite bekommst. Oder dass sie sagt, Versicherungsnehmer,

00:25:49: du hast ja ein Vergleich geschlossen, von uns kriegst du nichts mehr. Das funktioniert so nicht.

00:25:53: Der Anspruch gegenüber der Krankenkasse bleibt vollumfänglich bestehen. Da war meine Frage ja

00:25:59: doch gar nicht mal so doof. Ja, man könnte sich auch vorstellen, dass es dann nichts mehr gibt

00:26:04: von der Krankenkasse. Ja, Hahn ist zu, du hast jetzt die Summe XY bekommen. Wir sind

00:26:08: fein raus. Völlig, völlig berechtigte und sehr, sehr gute Frage. Und mit der schließen wir unseren

00:26:14: Fall heute ab. Aber ihr wisst ja, ihr müsst nur ein paar Tage warten, nämlich eine Woche. Da sind wir

00:26:20: mit einem neuen Fall zurück. Nächste Woche Donnerstag. Tschüssi, bis zum nächsten Mal. Tatort Krankenhaus,

00:26:25: der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:26:29: * Musik *

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