Tatort Krankenhaus - ohne Puls
Shownotes
Erika ist eine Vollblut-Oma, die sich gerne und regelmäßig um ihre sechs Enkelkinder kümmert. Doch ein fataler Fehler nach der stattgehabten Hüft-TEP veränderte ihr Leben für immer.
Die langjährige Radiomoderatorin Tanina Rottmann und der aus dem TV bekannte Patientenanwalt Peter Gellner schildern auf verständliche Art und Weise echte Fälle ärztlicher Kunstfehler und geben wertvolle Tipps aus der Insiderperspektive.
Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: info@tatort-krankenhaus.de
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Transkript anzeigen
00:00:00: * Musik *
00:00:03: "Tatort Krankenhaus", der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.
00:00:27: Und da geht das auch schon los. Wir starten eine neue Runde.
00:00:30: "Tatort Krankenhaus, wenn Ärzte Fehler machen".
00:00:33: Ihr seid dabei, das ist schon mal das Wichtigste.
00:00:36: Und wir sind es auch. Ich bin Tanina, grüß euch.
00:00:39: Viele Grüße auch von mir, hier ist Peter.
00:00:41: Wir fangen direkt an mit einer Hörer-Mail.
00:00:44: Die Melanie fragt uns nämlich, wie das manchmal so im Krankenhaus läuft.
00:00:49: Die meisten unserer Fälle spielen sich ja im Krankenhaus ab.
00:00:52: Über eine Sache sollten wir kurz mal sprechen.
00:00:55: Es ist eine Frage an dich, Peter.
00:00:57: Sie möchte gerne wissen, ob es eine klare Vorgabe gibt,
00:01:00: wie oft ein Arzt in einem Krankenhaus nach einem Patienten schauen muss.
00:01:04: Dass sich da mal ein Arzt blicken lässt.
00:01:06: Ich kenne das eigentlich auch so.
00:01:08: Wenn Freunde oder Familie im Krankenhaus liegt, ist das mal so eine Frage.
00:01:11: War der Arzt denn heute schon da?
00:01:13: Ich höre da öfter, nee, heute noch nicht. Ich weiß auch nie, wann der kommt.
00:01:15: Ja, also am Wochenende ist meist
00:01:17: nur die Sparbesetzungen, nenne ich es mal.
00:01:21: Da suchen einen die Ärztinnen und Ärzte sehr selten auf.
00:01:25: Das ist aber auch ganz normal.
00:01:27: Direkte Vorgaben gibt es natürlich nicht,
00:01:29: dass man so jede Stunde, jede halbe Stunde nach dem Patienten schauen muss.
00:01:33: Das ist immer abhängig davon, wie der Gesundheitszustand ist.
00:01:36: Manche Krankheitszustände erfordern eine sehr engmaschige Überwachung.
00:01:43: Da kann es sein, es müssen die Vitalparameter alle paar Minuten genommen werden.
00:01:48: Der Arzt muss häufiger danach sehen.
00:01:50: In anderen Fällen muss er vielleicht erst nach dem Wochenende nach dem Patienten schauen.
00:01:56: Also das ist immer davon abhängig, wie ist der Zustand des Patienten.
00:01:59: Okay, ich hatte es mir schon gedacht.
00:02:01: Ich bin operiert worden und innerhalb der ersten fünf Stunden
00:02:03: muss dann auch mal ein Arzt schauen.
00:02:05: So ist das nicht.
00:02:06: Nein, aber es kann schon sein, dass er danach schauen muss
00:02:09: und auch was in Richtung Therapie unternehmen muss.
00:02:12: Aber wie gesagt, da gibt es jetzt keine Vorgaben allgemeiner Natur,
00:02:15: sondern das ist völlig individuell.
00:02:18: Das wird in unserem Fall heute auch noch eine Rolle spielen.
00:02:21: Eine Frage von Achim schließt sich hier ganz gut an.
00:02:24: Entschuldige, bitte lieber Achim, ich muss ein bisschen schmunzeln.
00:02:27: Aber ich stelle sie dir trotzdem, Peter.
00:02:29: Das Stichwort ist das Gedächtnisprotokoll.
00:02:31: Hast du ja schon öfter darüber gesprochen, dass man sich aufschreiben sollte.
00:02:34: Was hat der Arzt heute mit mir gemacht? Was hat er gesagt?
00:02:36: Was habe ich gefragt?
00:02:38: Und Achim möchte gerne wissen, ob es Sinn macht,
00:02:40: wenn man sich so ein Protokoll schreibt,
00:02:42: dass man sich das vom Arzt unterschreiben lässt.
00:02:45: Das wäre sicherlich wünschenswert, wenn der Arzt dem nachkäme,
00:02:50: aber das wird er sicherlich nicht tun.
00:02:52: Also mir ist kein Fall bekannt, dass das ein Arzt mal gemacht hätte.
00:02:56: Mir ist auch kein Fall bekannt, dass diese Frage mal gestellt worden ist.
00:02:59: Aber Gedächtnisprotokoll als solches ist sicherlich sinnvoll zu führen.
00:03:04: Achim, ansonsten, falls du mal in diese Lage kommen solltest,
00:03:07: du kannst das ja mal für uns ausprobieren
00:03:09: und uns dann berichten, ob du ein Arzt gefunden hast, der es auch unterschreibt.
00:03:12: Das reicht auch so, später, falls es zum Gerichtsprozess kommen sollte,
00:03:15: dass es ein Gedächtnisprotokoll gibt.
00:03:17: Und das hast du uns ja auch schon mehrfach gesagt, Peter,
00:03:19: dass das auch durchaus anerkannt wird oder Gewicht hat.
00:03:22: Das ist richtig.
00:03:24: Und im Rahmen einer Klageschrift beispielsweise,
00:03:26: kann man sehr gut als Anwalt dann auf dieses Gedächtnisprotokoll zurückgreifen.
00:03:30: Das hat schon eine große Bedeutung.
00:03:32: So, natürlich haben wir euch heute wieder einen neuen Fall mitgebracht,
00:03:34: aber Peter bebt so innerlich.
00:03:37: Er hat nämlich noch einen anderen Fall jetzt so ganz frisch auf der Schippe.
00:03:40: Den hast du uns auch mitgebracht, so Ansatzanreißweise.
00:03:44: Warum ist der jetzt so wichtig? Was ist das für ein Fall?
00:03:47: Der ist mir deswegen wichtig, weil aus einer Kleinigkeit,
00:03:51: nämlich hier in dem Fall einer chronischen Zahninfektion,
00:03:54: die wir alle schon mal hatten, etwas ganz Extremes entstanden ist.
00:03:58: Man hat gar nicht glaubt, was aus so einer Kleinigkeit doch werden kann.
00:04:02: Und da haben wir jetzt gerade das Sachverständigen Gutachten bekommen,
00:04:07: das im Rahmen des Prozesses eingeholt worden ist.
00:04:11: Und ich darf daraus mal ganz kurz zitieren in aller gebotenen Kürze.
00:04:17: Du darfst alles.
00:04:18: Wunderbar.
00:04:19: Da heißt es, dass sich bei Mandanten wahrscheinlich aus einer chronischen Zahninfektion
00:04:25: ein Bakterium über die Blutbahn abgesiedelt und einen Abzess in der Lendenwirbelsäule,
00:04:31: sowie im weiteren Verlauf eine Sepsis ausgelöst hat.
00:04:34: Und das ist dann nicht entsprechend behandelt worden.
00:04:38: Man hat zwar versucht, den Abzess auszuspülen und hat auch eine antibiotische Behandlung eingeleitet.
00:04:46: Aber die Sepsis wurde dann nur für kurze Zeit in den Griff bekommen,
00:04:51: ist dann wieder aufgeflammt mit schwersten Komplikationen.
00:04:54: Unter anderem im Zentralnervensystem, mit einer eitrigen Entzündung der Hirnhäute
00:05:00: und im Hirnwasser, so wie im Rippenfell.
00:05:02: Und er hat gerade so überlebt nach einer Reanimation.
00:05:06: Also er musste wiederbelebt werden.
00:05:08: Und als Folgeschäden sind jetzt eine komplette Lähmung der Beine
00:05:13: und ein Dekubitus im Bereich des rechten Gesäßes.
00:05:17: Dekubitus ist das sogenannte Durchliegegeschwür zurückgeblieben.
00:05:21: Also schwerste Schädigungen allein nach einer chronischen Zahninfektion.
00:05:26: Also ich glaube, wenn man einen guten Zahnarzt oder gute Zahnärztin hat,
00:05:29: dann weiß die ein auf solche Sachen auch hin,
00:05:32: dass ganz schnell entzündliche Zähne zu wirklich üblen Folgen führen können.
00:05:37: Also ich hätte da jetzt so auf dem Schirm, dass das, ich habe mal gehört,
00:05:39: das kann aufs Herz schlagen.
00:05:41: Ja, das ist natürlich auch möglich, aber man hört auch immer wieder
00:05:44: Fälle von Berufssportlern, wo man nicht erkennen kann,
00:05:48: wo kommt jetzt das Leistungsdefizit her.
00:05:50: Und dann werden oftmals auch die Zähne untersucht
00:05:53: und dann findet man da eine Infektion und kann dann einen Kontext herstellen.
00:05:57: Also ganz spannend, was manchmal entstehen kann.
00:06:00: Dann in diesem Fall seid ihr jetzt gerade aktuell dran?
00:06:03: Genau, der läuft gerichtlich.
00:06:04: Wir haben gerade das Gutachten bekommen vor ein paar Tagen
00:06:06: und was ich jetzt da gerade zitiert habe,
00:06:08: das ist aus dem Gutachten, was wir seit ein paar Tagen erst haben.
00:06:11: Über den Fall müssen wir dringend dann auch widersprechen, wenn es so weit ist.
00:06:13: Der wird zugegeben, wenn der entschieden worden ist,
00:06:15: werden wir dazu dann auch einen Podcast machen.
00:06:18: Auf jeden Fall.
00:06:20: Und das tun wir heute auch.
00:06:21: Ich denke, wir sind jetzt alle bereit für den Fall der Woche.
00:06:24: Und das ist die Leidensgeschichte, so müssen wir das leider wieder mal nennen, von Erika.
00:06:29: Erika ist 63 Jahre alt, verheiratet mit Klaus.
00:06:33: Die beiden haben drei Kinder, mittlerweile sechs Enkelkinder.
00:06:36: Und für die ist Erika in vollem Einsatz.
00:06:38: Sie ist die Oma, die um die Ecke wohnt.
00:06:41: Sie kümmert sich täglich um mindestens eins ihrer Enkelkinder.
00:06:44: Das Jüngste bringt sie in die Kita, am Wochenende übernachten
00:06:47: auch mehrere Enkelkinder bei ihr und ihrem Mann.
00:06:50: Erika liebt das auch, dass im Haus dann so viel Action ist.
00:06:53: Allerdings fällt es ihr in letzter Zeit immer schwerer,
00:06:56: mit den Kindern zu toben, denn sie hat Schmerzen in der linken Hüfte.
00:07:00: Erika tut das aber lange ab, auch wenn ihre Kinder ständig sagen,
00:07:04: Mama, du musst da jetzt aber mal was machen lassen.
00:07:07: Und ihre Ärztin sieht das ganz genauso.
00:07:09: Und an einem Tag im Oktober ist es dann soweit.
00:07:12: Erika wird stationär im Krankenhaus aufgenommen,
00:07:15: mit der Diagnose "Coxarthrose".
00:07:18: Peter, machst du uns da mal kurz den Erklärbär?
00:07:20: Mach ich sehr gerne. Also in dem Kontext versteht man unter der "Coxarthrose"
00:07:25: den Verschleiß des Hüftgelenks.
00:07:27: Das betrifft vor allem ältere Menschen nicht nur, aber überwiegend.
00:07:31: Die Hüfte schmerzt und ist unbeweglich.
00:07:34: Im Röntgenbild sieht der Arzt, wie stark das Hüftgelenk beschädigt ist.
00:07:38: Im Extremfall ersetzt man es durch eine Prothese.
00:07:42: Und genau dieser Eingriff ist jetzt auch für Erika geplant.
00:07:45: Die Hüfttep, also die Hüfttotalendoprothese, ist ein Implantat.
00:07:50: Dass das gesamte Hüftgelenk ersetzt, also das ist das,
00:07:53: wo wir normales von einer künstlichen Hüfte sprechen.
00:07:56: Ja, sie besteht aus einer Art Schale, kann man vielleicht sagen,
00:08:00: als Ersatz für die Hüftgelenkspfanne des Beckenknochens
00:08:04: und einem Schaft mit einem Kugelkopf, also Ersatz für den Oberschenkelkopf.
00:08:08: Jetzt birgt jede OP Risiken.
00:08:11: Was sind so die speziellen Risiken bei so einer Hüfttep?
00:08:15: Ja, wir haben die allgemeinen Risiken, die wir eigentlich immer haben.
00:08:18: Infektionen, Bildung von Blutgerinseln, Nerven und Gewebeschäden.
00:08:21: Außerdem kann es auch beim Einsetzen des neuen Hüftgelenks
00:08:24: zu Schmerzen durch Knochen-Neubildung kommen,
00:08:27: Verwachsungen und Verkalkungen.
00:08:29: Außerdem kann sich die Hüfttep verrenken.
00:08:32: Man spricht dann von einer Luxation oder frühzeitig lockern.
00:08:35: Und ich will sagen, wir führen ja so Statistiken bei uns im Büro,
00:08:39: welche Fälle am häufigsten vorkommen.
00:08:42: Und die meisten Anfragen, die wir haben, sind Komplikationen
00:08:46: oder Beschwerden nach Hüftteps.
00:08:49: Also es werden ja auch sehr viele Operationen in diesem Bereich gemacht.
00:08:53: Viele auch, die nicht unbedingt nötig sind.
00:08:56: Da will ja auch Prof. Lauterbach, unser Gesundheitsminister,
00:09:00: daran, dass das da reduziert wird in dem Bereich.
00:09:03: Aber es ist auf Platz 1 im Ranking, weil viele kommen,
00:09:07: die haben eine Beinlängen-Differenz.
00:09:10: Also Hüfttep bekommen und dann ist das eine Bein plötzlich 2 cm länger
00:09:15: als das andere oder kürzer als das andere.
00:09:19: Es kann bei diesen Operationen durchaus so unterschieden kommen
00:09:23: in der Beinlänge, ohne dass das ein Fehler ist.
00:09:26: Also das allein rechtfertigt noch nicht den Schluss auf einen Fehler.
00:09:30: Aber man muss genau schauen, welches Fabrikat ist verbaut worden.
00:09:35: Da sind die Winkel, die man beachten muss, unterschiedlich.
00:09:39: Also da gibt es sehr, sehr viele Anforderungen in diesem Bereich,
00:09:42: die zu beachten sind.
00:09:44: Und das ist auch immer eine Herausforderung,
00:09:46: auch für die Operateure zu schauen.
00:09:48: Wie kann ich das einsetzen?
00:09:50: Und das ist auch fehlersträchtig mitunter.
00:09:53: Einigen von euch fällt da vielleicht auch schon direkt ein Fall ein,
00:09:56: den wir schon mal hatten.
00:09:58: Das war die unendliche Hüfte.
00:10:00: Da war es tatsächlich, dass da zwei Materialien bei diesem
00:10:03: Bereich, die von den Herstellern miteinander kombiniert wurden,
00:10:06: was aber nicht hätte sein dürfen.
00:10:08: Und in dem Fall wurde da immer wieder nachjustiert, Peter.
00:10:11: Du weißt von welchem Fall ich rede.
00:10:14: Und hinterher war ja, glaube ich, der Oberschenkel schon
00:10:16: sehr, sehr verkürzt worden.
00:10:18: Ja, gut, dass du darauf noch mal ansprichst.
00:10:21: Also das ist gar nicht selten, dass Teile unterschiedlicher
00:10:24: Hersteller verwendet werden in der Praxis.
00:10:27: Aber es passen nicht alle miteinander.
00:10:29: Es sind nicht alle kompatibel.
00:10:31: In dem Fall, den du beschrieben hast,
00:10:33: und den wir hier im Podcast auch besprochen haben,
00:10:35: war es so, dass da passte es nicht zusammen.
00:10:38: Und da begann die Fehlerkette.
00:10:41: Bei Erika verläuft der Fall ganz anders,
00:10:43: auch wenn es um eine ähnliche Hüftoperation geht.
00:10:46: Was man vielleicht auch noch wissen sollte,
00:10:48: ist, dass Patienten nach so einer Hüft-OP
00:10:50: schnell in Bewegung kommen sollen.
00:10:52: Also in der Regel legen Physiotherapeuten schon einen Tag
00:10:55: nach der Operation Hand an, mobilisieren das künstliche
00:10:58: Hüft-OP. Da wird es dann spezielle Übungen geben,,
00:11:00: um die Muskulatur schnell wieder aufzubauen
00:11:03: damit die Beweglichkeit im neuen Gelenk
00:11:05: schnell verbessert werden kann. Bei Erika
00:11:08: ist all das gar nicht möglich.
00:11:10: Sie wacht gegen Mittag aus der Narkose auf und hat
00:11:13: Schmerzen. Allerdings nicht in der Hüfte,
00:11:15: Sondern sie verspürt ein starkes Brennen im linken
00:11:18: Fuß. Diese Schmerzen werden im Laufe
00:11:20: des Nachmittags immer schlimmer. Erika
00:11:23: möchte einen Arzt sprechen - der kommt.
00:11:25: Schaut sich Erika's Fuß und auch das Bein an
00:11:28: und ordnet an den elastischen
00:11:30: Wickel entfernen zu lassen
00:11:33: Als das gemacht wird, bemerkt Erika, dass ihr llinker
00:11:35: Fuß kühler ist, als der rechte. Das Bein
00:11:38: wird dann wieder leicht gewickelt.
00:11:40: Das Brennen im Fuß wird aber schlimmer, woraufhin
00:11:43: Erika wieder nach einem Arzt verlangt.
00:11:45: Während sie auf ihn wartet, telefoniert sie mit einer ihrer Töchter
00:11:48: und erzählt ihr, dass die Schmerzen kaum auszuhalten seien
00:11:50: In der Folge wird das Bein von
00:11:53: Erika mehrfach ein- und wieder ausgewickelt und wieder
00:11:56: eingewickelt - an den Schmerzen ändert sich aber nichts.
00:11:59: Erika sagt immer wieder, dass ihr Fuß brenne
00:12:02: und sich kalt anfühle.
00:12:04: Daraufhin bekommt sie eine Decke über das Bein gelegt.
00:12:07: Die kommende Nacht wird für Erika dann zur absoluten Tortur.
00:12:10: Das Brennen in der Fußsohle nimmt zu.
00:12:13: Ihr Fuß fühlt sich nach wie vor kalt an.
00:12:15: Die behandelnde Ärztin versucht den Zustand weiter
00:12:18: mit immer neu angelegten elastischen Wickeln zu verbessern.
00:12:21: Die Schmerzen werden aber zu keinem Zeitpunkt besser.
00:12:24: Gegen 1:30 Uhr in der Nacht wird dann dokumentiert,
00:12:27: dass es in Erikas linken Bein Auffälligkeiten
00:12:30: bei der Durchblutung gibt.
00:12:32: Daraufhin lockert die Ärztin den angelegten Wickel.
00:12:35: Später in der Nacht legt dieselbe Ärztin bei Erika
00:12:38: einen Zugang an der rechten Hand.
00:12:40: Erika erfährt allerdings nicht, warum das gemacht wird.
00:12:43: Die nächsten Stunden in dieser Nacht sind quälend
00:12:46: für Erika. Ihr ist schon übel vor Schmerzen, die ziehen sich hoch bis ins Knie. Mittlerweile
00:12:51: ist da auch dieses Taubheitsgefühl. Erika spürt ihren linken Fuß kaum noch. Ihr Bein wird in
00:12:57: der Nacht immer wieder anders gelagert. Die Ferse aus der Umwicklung freigemacht, irgendwann wird
00:13:02: der elastische Wickel komplett entfernt. An Erikas Bein sieht man jetzt deutliche Einschnürungen,
00:13:08: am oberen Sprunggelenk, am Unterschenkel und auch in der Kniekehle. Jetzt stellt man fest,
00:13:14: was Erika schon die ganze Zeit sagt. Der Fuß ist bis zur Mitte des Unterschenkels deutlich kälter
00:13:20: und die Sensibilität eingeschränkt, also sprich sie spürt da immer weniger. Jetzt informiert das
00:13:26: Krankenhauspersonal wieder die Ärztin und die veranlasst im Prinzip, dass dieser Wickelmarathon
00:13:32: weitergeht. Mal wird das Bein gewickelt, in einer Schiene gelagert, dann wechselt man die Schiene
00:13:37: gegen ein Kissen aus und das kalte Bein wird wieder in eine Decke eingewickelt. So geht das die ganze
00:13:43: Nacht. Am Morgen erfolgt die erste Visite. Erika klagt über Schmerzen, die kaum auszuhalten
00:13:49: sein. Sie schildert den Ärzten, was in der Nacht alles passiert ist, dass ihr Fuß nach wie vor
00:13:54: brennt, dass sie Taubheitsgefühle hat und sie sagt auch, dass ihr linkes Bein mittlerweile leicht
00:13:59: blau verfärbt sei. Daraufhin so schildert das Erika, habe ein Arzt ihr schmerzendes Bein in die Höhe
00:14:06: gerissen und dann abrupt fallen lassen und sie habe geschrien vor Schmerzen. Das habe auch ihre
00:14:12: Enkeltochter gehört, die während der Visite am Telefon gewesen sei. Erika quält sich jetzt schon
00:14:18: einen halben Tag und eine komplette Nacht mit diesen Schmerzen herum, aber auch am zweiten
00:14:23: Tag im Krankenhaus passiert nichts. Sie ruft nach Hilfe, auch ihre Tochter ruft bei den Ärzten an und
00:14:29: verlangt, dass jemand was unternimmt und das jetzt endlich mal was passieren müsse. Es werden aber
00:14:35: keine weiteren Untersuchungen vorgenommen. Es vergehen ein weiterer Tag und noch eine Nacht mit
00:14:41: starken Schmerzen. Diese werden auch vom Krankenhauspersonal dokumentiert. Erst am Vormittag
00:14:47: erscheint der jetzt behandelnde Arzt. Mittlerweile ist Erikas Fuß gelblich gefärbt, ihre Fußsohle
00:14:53: stellenweise lila. Sie kann das Bein nicht mehr allein anheben, sie kann die Zehen nicht mehr
00:14:58: bewegen und schließlich lässt sich in Erikas Fuß auch kein Puls mehr messen. Jetzt endlich wird
00:15:06: reagiert. Erika wird mit einem Rettungswagen notfallmäßig in ein anderes Krankenhaus gebracht.
00:15:11: Da fällt die Diagnose niederschmettert aus. Peter was Stand da drin. Also die Ärzte haben dann
00:15:17: auch niedergeschrieben, dass nach wie vor kein Puls, kein Fußpuls zu tasten ist. Sie haben ein
00:15:23: Kompatmensyndrom diagnostiziert, eine totale Sensibilitäts- und Motorikstörung. Der linke
00:15:31: Fuß und der Unterschenkel waren nach wie vor bläulich verfärbt und es lag eine komplette Bein-Ischämie
00:15:38: mit einer Fußhautmuskel-Nekrose vor. Weißt jeder was eine Bein-Ischämie ist? Nekrose? Ja, ich denke,
00:15:45: das ist allgemein bekannt, aber ich erkläre es gerne noch mal laienhaft. Ist an sich eine mit
00:15:52: erheblichen Schmerzen verbundene Minderdurchblutung oder kann sogar ein vollständiger Durchblutungsausfall
00:15:58: eines Gewebes oder eines Körperteils oder eines Organ sein, in dem Fall des Beines. Ja, das ist ein
00:16:04: desolater Zustand. Erika kommt jetzt auch sofort in den Operationssaal. Die Gefäßchirurgin versucht,
00:16:10: ja das fasse ich jetzt auch mal ganz laienhaft und kurz zusammen, den Blutfluss in Erikas
00:16:14: Unterschenkel wiederherzustellen und führt eine Trombektomie durch. In einer weiteren
00:16:18: Operation versucht man mit einer Fasziotomie den Druck aus Erikas Bein zu bekommen. Ich glaube,
00:16:24: auch das kann man jetzt. Wir sind kein Medizin-Podcast, das kann man so glaube ich so sagen. Das
00:16:28: Ganze bleibt ohne Erfolg. Der Blutfluss lässt sich nicht wiederherstellen. Jetzt folgt der Schritt,
00:16:34: der Erikas Leben dann komplett auf den Kopf stellt. Ihr linkes Bein wird in Höhe des Oberschenkels
00:16:40: amputiert. Ja, ich denke, wir können uns jetzt nur ansatzweise vorstellen, wie das Leben von Erika
00:16:45: heute aussieht. Sie muss mit nur einem Bein leben. Sie hat ständig Albträume wegen all dieser
00:16:51: Geschichten, die da über Stunden im Krankenhaus passiert sind und nicht nur sie leidet psychisch
00:16:56: unter dem Geschehnen. Ihre ganze Familie steht unter Schock. Sie können alle nicht vergessen,
00:17:00: wie mit Erika im Krankenhaus umgegangen wurde und wie hilflos sich alle gefühlt haben. Ja,
00:17:06: dieses nachhaltige Gefühl der Hilflosigkeit, Peter hat Erika und ihre Familie zu dir gebracht.
00:17:11: Wenn man jetzt so den Fall hört, also bei mir steigt schon eine gewisse Wut auf, die Frau da so lange
00:17:18: mit ihren Schmerzen liegen zu lassen und immer nur an diesem Wickel rumzudoktern. Um du als Anwalt
00:17:23: solltest du dich natürlich nicht von Gefühlen leiten lassen, aber ging es dir ähnlich? Nee,
00:17:27: also Gefühle sind nicht leitend, aber die Umstände, die sich hier zugetragen haben, die waren schon
00:17:34: medizinrechtlich zu bewerten und ziemlich eindeutig. Es waren so viele Anzeichen dafür,
00:17:39: dass im Fall einer Ischemie vorliegt, die einfach schlichtweg übersehen worden sind und es sind
00:17:46: keine entsprechenden Therapien eingeleitet worden. Die Trombektomie, die dann später gemacht worden
00:17:52: ist, vielleicht noch mal kurz erklären, das ist die Entfernung eines Blutgerinsels aus einem Blutgefäß
00:17:57: mithilfe eines Katheters, hat nicht mehr zum Erfolg führen können, weil man einfach schlichtweg zu lange
00:18:02: abgewartet hat. Also kein tastbarer Puls, einen Temperaturunterschied, der kann auch schon mal bis
00:18:08: zwei Grad, vielleicht sogar noch ein bisschen höher sein, also was diese Verfärbungen, all das sind
00:18:14: so Alarmzeichen, die schlichtweg über Tage jetzt kann schon im Plural sprechen ignoriert worden sind
00:18:20: und das ist schon ein erhebliches Versäumnis. Jetzt sind ja auch die Ärzte zu Wort gekommen,
00:18:27: also wir müssen festhalten, das Ganze ist nicht vor Gericht gegangen, aber dazu kommst du gleich
00:18:31: noch. Aber die Ärzte haben sich natürlich geäußert und in diesem Fall haben die Ärzte ein Gedächtnisprotokoll
00:18:37: vorweisen können, aber ja, ich formuliere es jetzt mal so, damit haben die sich ja ein Stück weit selber
00:18:43: ins Knie geschossen, warum? Ja, die Ärzte haben ein Gedächtnisprotokoll erstellt, dass quasi
00:18:50: diametral abweicht von den Eintragungen in die Krankenakte, das gesagt wird, auch da waren keine
00:18:56: Sensibilitätsstörungen, Puls war zu messen, war auch keine Verfärbung, die irgendwie Anlass gegeben
00:19:03: hätte, therapeutische Maßnahmen einzuleiten, also völlig im Widerspruch zu dem, was ansonsten in
00:19:09: der Krankenakte stand und ja, das fiel ihnen dann nachher auf die Füße, weil das konnte nicht
00:19:15: stimmen, was da drin stand und darum kam es letztendlich auch gar nicht zu einem Prozess. War gar nicht
00:19:22: nötig, weil es so eindeutig war? Das war so eindeutig auch für den Haftpflichtversichere des
00:19:28: Krankenhauses, der dann gesagt hat, nee, wir sehen ein, hier sind gravierende Fehler gemacht worden,
00:19:34: die wollten es wahrscheinlich auch gar nicht so weit kommen lassen, dass dieses Gedächtnisprotokoll
00:19:38: Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens wird, weil dann kann man schon drüber nachdenken, ob die
00:19:44: Akte nicht einen roten Deckel bekommt. Was heißt das? Roter Deckel, das sagen wir Juristen dann, wenn es
00:19:51: von strafrechtlicher Relevanz ist und zur Staatsanwaltschaft geht, die dann eine rote Akte führen,
00:19:56: weil das kann dann schon ein versuchter Prozessbetrug sein, wenn man daran festhält und das
00:20:01: vor Gericht vorträgt und soweit wollte es der Haftpflichtversicher, glaube ich in dem Fall,
00:20:05: nicht kommen lassen und hat sich mit uns außergerichtlich verständigt. Letztendlich haben
00:20:12: wir uns verglichen über einen Betrag von 165.000 Euro zum Ersatz der Schäden, die Erika erlitten hat.
00:20:20: Also das war alles sehr, sehr eindeutig. In dem ersten Krankenhaus sind ja diese Versäumnisse
00:20:25: geschehen. Im zweiten Krankenhaus wurde sie ja direkt operiert. Hat die in diesem Fall das zweite
00:20:29: Krankenhaus auch das alles nochmal so bestätigt? Ist da die Meinung eingeholt worden oder brauchte
00:20:34: man das gar nicht mehr? Ja, hier hatten wir auch eine ärztliche Meinung vom nachbehandelden Krankenhaus,
00:20:40: die auch gesagt haben und die Hände über den Kopf geschlagen haben und da musste einfach viel
00:20:45: früher reagiert werden. Das ging so nicht, was da abgelaufen ist. Das war so klar erkennbar,
00:20:50: worauf das hinausläuft und das hat auch dann dazu geführt, dass wie gesagt,
00:20:55: das außergerichtlich erledigt werden konnte. Ist aber auch gar nicht mehr geschaut worden,
00:20:58: im zweiten Krankenhaus vielleicht auch noch was falsch gelaufen ist? Ja, das haben wir natürlich
00:21:02: immer noch mit im Blick. Es kann auch eine Fehlerkette sein von verschiedenen Behandlern,
00:21:07: aber das war hier nicht der Fall. Hier war nichts mehr zu retten. Die haben ja alles versucht,
00:21:13: was man eigentlich schon hätte zwei Tage vorher machen müssen und da war das Kind in den
00:21:18: Brunnen gefallen und nur noch das Leben zu retten durch die Amputation, weil sonst wäre sie ja
00:21:23: verstorben ohne die Amputation und nein, da war jetzt kein Vorwurf mehr zu machen. Was ich mich
00:21:29: jetzt frage und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das jetzt auch viele von euch fragen,
00:21:34: was ist, wenn ich im Krankenhaus bin oder ein Angehöriger von mir und ich komme in
00:21:38: genauso eine Situation. Ich sage, ich habe Schmerzen. Ich sage, ich habe hier kaum noch
00:21:44: Gefühl und es wird ja offensichtlich nichts gemacht, sondern einfach nur irgendwie immer wieder so
00:21:49: ein Wickel neu und da kommt keiner und ich habe aber selber auch nicht Ahnung, was man jetzt
00:21:54: machen müsste. Was mache ich in so einer Situation? Ja, man muss schon insistieren und sagen, das sind
00:22:01: nicht die Schmerzen, die gewöhnlich nach einer Operation auftreten. Vielleicht sagen ich,
00:22:06: ich kenne das, ich kenne meinen Körper, ich bin hier schon mal operiert worden in dem Bereich. Ich
00:22:11: weiß, das ist nicht so der übliche Schmerz. Schauen Sie doch bitte mal nach, ob das nicht
00:22:15: eine andere Ursache haben kann, weil die meisten Menschen kennen ihren Körper, haben ein Körpergefühl
00:22:21: und es wird ja oftmals so gesagt, ach, das ist normal, machen sich nichts draus. Das ist der übliche
00:22:26: Schmerz und das vergeht. Das ist sicherlich auch oftmals der Fall, aber es gibt auch diese anderen
00:22:32: Fälle, wo es nicht so ist und da sollte man schon sich nicht mundtot machen lassen, sondern darauf
00:22:38: bestehen, dass weitergehende Untersuchungen durchgeführt werden zur Klärung der Problematik.
00:22:44: Jetzt kennen wir nicht jedes Gespräch, was zwischen Erika, den Ärzten oder vielleicht auch
00:22:48: Erikas Kindern und den Ärzten vorgefallen ist. Also ich hätte definitiv Dr. Google bemüht mit den
00:22:55: Symptomen, die ich da habe in meinem Bein, hätte ich Dr. Google bemüht und ich bin mir relativ sicher,
00:23:00: eigentlich könnte man es gerade direkt mal eins zu eins ausprobieren, dass da irgendein Hinweis auf
00:23:05: eine Durchblutungsstörung gekommen wäre. Ja, Dr. Google kann helfen, kann einen aber auch in die
00:23:12: Irre verleiten. Also ich bin da immer sehr zurückhaltend. Da haben wir in unserem anwaltlichen
00:23:16: Bereich ja auch. Also es kommen manche mit Rechtsauffassung, die sie bei Google irgendwo
00:23:21: aufgeschnappt haben, so völlig aus dem Kontext gegriffen. Aber da kann man dann ja drüber reden.
00:23:26: Genau, man kann drüber sprechen. Das muss alles sachlich in einem freundlichen Ton erfolgen. Also
00:23:31: es ist nicht der richtige Ansatz, wenn man dann belehrend auftritt. Es gibt ja so manche Berufsgruppen,
00:23:37: den ist das so immanennt und dann wird es schwierig. Man muss sehen, dass man schon ein
00:23:42: Verhältnis zum Arzt aufbaut, das einem erlaubt, auch sowas anzubringen und nicht so von oben herab.
00:23:49: Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was, ich habe bei Google was gefunden, sondern ich habe das mal
00:23:53: nachgelesen, könnte das nicht sein. Und dann ein seriöser Arzt, der da auch sportlich mit umgeht,
00:23:59: erklärt dann, nein, da haben sie sich verannt, das ist jenes und dieses. So ist glaube ich wichtig,
00:24:05: an so ein Gespräch heranzugehen. Und das gilt ja für alle Lebensbereiche jetzt nicht nur in der
00:24:09: Medizin. Und dann nimmt einem das auch keiner übel. Kurze Anekdote, ich hatte mal einen,
00:24:15: sagen wir vielleicht etwas schwierigeren Mandanten, der kam zu mir und sagte,
00:24:21: Herr Gellner, Sie müssen eigentlich gar nichts machen, ich habe die ganze Klage schon geschrieben,
00:24:25: Sie müssen nur unterschreiben und dann können wir die erreichen.
00:24:28: Natürlich, sofort zeigen Sie mir das Papier, ich bin dabei.
00:24:31: Ja und das sind so Mandanten, da fällt es einem dann schwer, damit umzugehen und natürlich haben
00:24:38: wir das nicht gemacht, aber den Fall gab es und das schafft dann nicht so eine gute Vertrauensbasis,
00:24:44: wenn man so als Patient oder in dem Fall als Mandant in einen Fall einsteigt.
00:24:49: Das nehmen wir noch mit auf den Weg am Ball bleiben, aber im höflichen Ton.
00:24:52: Danke dir Peter für diesen Fall heute und ich weiß, nächste Woche haben wir wieder was
00:24:57: spannendes für euch am Donnerstag, neue Folge Tatort Krankenhaus, wenn Ärzte Fehler machen.
00:25:03: Lasst gerne ein Follow da bei Instagram, da findet ihr uns auch unter tatortkrankenhaus. Wir
00:25:09: freuen uns da über jeden Zuwachs, über jede Frage, die gestellt wird, über jede sachliche
00:25:14: Kritik, die ausgesprochen wird. Also gerne mal bei Instagram schauen, tatortkrankenhaus,
00:25:19: da freuen wir uns, wenn ihr uns besucht. Gerne, bis nächste Woche, macht's gut, tschüss!
00:25:25: Tatort Krankenhaus, der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Getlner.
00:25:30: [Musik]
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