Tatort Krankenhaus - Operationsmarathon
Shownotes
Aufgrund nicht nachvollziehbarer Fehler der Ärzte muss Sven fast 30 Operationen innerhalb eines Monats über sich ergehen lassen. Eine Tortur, die sein Leben verändert hat.
Die langjährige Radiomoderatorin Tanina Rottmann und der aus dem TV bekannte Patientenanwalt Peter Gellner schildern auf verständliche Art und Weise echte Fälle ärztlicher Kunstfehler und geben wertvolle Tipps aus der Insiderperspektive.
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00:00:00: * Musik *
00:00:27: Hallo da draußen, schön, dass ihr uns heute wieder Gesellschaft leistet.
00:00:30: Hier ist für euch eine neue Folge "Tatort Krankenhaus".
00:00:33: Du weißt schon, dass wir das im Intro schon erwähnen.
00:00:36: Sag mal, hatten wir heute eine Korinthe zum Frühstück.
00:00:39: Bist du wieder der Schlauere heute von uns?
00:00:41: Du hörst keinen Widerspruch.
00:00:43: Ja, so, pass auf.
00:00:45: Wir sind ja mittlerweile so ein bisschen warm miteinander geworden.
00:00:48: Also, da meine ich jetzt uns alle, euch auch.
00:00:51: Ich denke, wir können mittlerweile sehr ehrlich miteinander reden.
00:00:54: Und warum denn eigentlich nicht mal über das Thema Darmspiegelung?
00:00:59: Peter, schon mal gemacht?
00:01:00: Ich will vorher sagen, dass wir immer ehrlich vortragen
00:01:03: und dass alle Fälle tatsächlich sich ereigned haben.
00:01:06: Und wir nur die Namen mit unter die Orte ändern,
00:01:10: damit es anonymisiert bleibt.
00:01:12: Die Entscheidungen sind auch alle so, wie wir berichten, gefallen.
00:01:16: Ich finde das sehr interessant, wie du versuchst, dich vor der Antwort zu drücken.
00:01:20: Hattest du schon mal eine Darmspiegelung?
00:01:23: Ja, die hatte ich schon.
00:01:24: Und das ist mir auch ein sehr, sehr großes Anliegen darauf hinzuweisen.
00:01:27: Gerade Darmkrebs ist etwas, was man sehr, sehr früh entdeckt, gut bekämpfen kann.
00:01:36: Und darum ist das ungeheuer wichtig.
00:01:39: Und wir Männer sind da noch eher zurückhaltend als Frauen,
00:01:42: ab einem gewissen Alter eine Koloskopie,
00:01:46: also eine Darmspiegelung durchführen zu lassen.
00:01:48: Das kann ich nur jedem ans Herz legen.
00:01:51: Und das ist dermaßen wichtig.
00:01:53: Und wenn dann Polypen aus denen häufig dann ein Tumor entstehen kann, entfernt werden,
00:01:59: dann hat man Ruhe alle fünf Jahre, manche sagen alle zehn Jahre.
00:02:03: Das reicht aus, ab 45, 50, 55, das sollte man machen.
00:02:09: Und man kann auch mittlerweile virtuelle Darmspiegelungen machen.
00:02:13: Also das ist auch eine Möglichkeit, es mit weniger Risiken verbunden,
00:02:20: als die klassische Koloskopie, hat den Nachteil,
00:02:24: dass wenn Polypen gefunden werden, die zu entfernen wären,
00:02:29: man sich einer weiteren Darmspiegelung unterziehen muss.
00:02:32: Entschuldige, bitte, die mache ich denn eine virtuelle Darmspiegelung?
00:02:37: Bei einer virtuellen Darmspiegelung wird ein Instrument quasi nur ein Stück weit eingeführt
00:02:43: und alles andere läuft über entsprechende bildgebende Verfahren.
00:02:48: Ich habe eine solche auch gemacht.
00:02:49: Da gibt es Spezialisten und dann kann es eigentlich nicht zu einer Darmperforation.
00:02:54: Das ist ja mitunter ein Risiko, einer Koloskopie kommen.
00:02:58: Und ich habe mir im Nachgang auch die Aufnahmen angesehen.
00:03:01: Also man sieht wunderbar den Darm bis in alle Einzelheiten und das ist schon sehr, sehr fortgeschritten.
00:03:07: Und das ist eine Alternative für diejenigen, die sagen, ich habe Angst vor der Perforation.
00:03:12: Die kommt zwar sehr selten vor, kommt aber vor bei uns in der Praxis häufiger.
00:03:16: Da bündelt es sich aber auch.
00:03:18: Also ich möchte keine Angst machen, das ist ein Risiko, was eher zu vernachlässigen ist,
00:03:23: weil der Gewinn, die Erkenntnis durch die Darmspiegelung ist deutlich gewichtiger,
00:03:28: denn das Risiko der Koloskopie, also ich kann nur, dass sei abschließend nochmal gesagt,
00:03:33: appellieren ab einem gewissen Alter sich dieser Darmspiegelung zu unterziehen.
00:03:38: Also ich gehöre auch zu dem Club.
00:03:40: Danke, dass du fragst.
00:03:41: Ich hatte aber eine Entzündung im Darm und dann haben die mich schön ausgenockt
00:03:47: und haben dann auch mal nachgeschaut, was vorhin gesagt, wir Frauen haben da vielleicht nicht so ein Problem.
00:03:52: Also es gibt Schöneres, muss man ganz ehrlich sagen.
00:03:54: Frauen, so ist mein Kenntnisstand, mag nicht richtig sein, aber ich denke schon,
00:04:00: sind was Vorsorge, Krebsvorsorge in allen Bereichen anbelangt, doch mutiger und williger als wir Männer.
00:04:08: Die Zahl ist einfach viel zu gering noch und gerade beim Darm ist es ungeheuer wichtig.
00:04:12: Da kann man wirklich so viel vermeiden, wenn man frühzeitig was erkennt.
00:04:16: Ja, weil es ist nun mal so mit zunehmendem Alter, steigt das Risiko für eine Darmerkrankung
00:04:20: und die Kassen zahlen die Untersuchung bei Männer in einem Alter von 50 Jahren
00:04:25: und gesetzlich versicherte Frauen haben ab 55 Anspruch auf eine bezahlte Darmspiegelung.
00:04:31: Ja und um mehr Menschen zur Vorsorge zu animieren, erhält ja auch jede deutsche Staatsbürger ab dem 50. Lebensjahr
00:04:37: eine persönliche Einladung zur Darmenkrebsvorsorge.
00:04:41: Ja und wie du schon gesagt hast, wird natürlich eine Spiegelung nicht nur vorsorglich durchgeführt,
00:04:47: sondern wenn es Beschwerden gibt, natürlich dann auch.
00:04:50: Es muss ja nicht immer Krebs sein, es gibt so viele verschiedene Darmerkrankungen,
00:04:56: die eine Koloskopie im Vorfeld voraussetzen, auch allein zur Diagnosestellungen,
00:05:02: zur Behandlung, also zur Therapie, das ist alles möglich.
00:05:05: Also alles in allem eine sehr wichtige Untersuchung, scharmhaft sollte man da gar nicht rangehen.
00:05:09: Die Ärzte, die machen das täglich und mehrfach und man kann sich da auch wunderbar ausnocken lassen,
00:05:14: da kriegt man dann gar nichts davon mit.
00:05:16: So, warum sprechen wir überhaupt heute darüber?
00:05:18: Erstmal weil es wichtig ist und weil im Darm auch einiges schießgehen kann,
00:05:23: und damit sind wir bei unserem heutigen Fall, der wirklich eine sehr harte Nummer ist,
00:05:27: ihr seht das auch schon im Titel "Operationsmarathon".
00:05:30: Also da hat jemand wirklich eine ganz ordentliche Tortur hinter sich
00:05:35: und in kürzester Zeit knapp 30 Operationen bekommen und das ist dem Sven passiert.
00:05:42: Sven ist 55 Jahre alt, als seine Leidensgeschichte beginnt.
00:05:46: Sven bekommt nämlich plötzlich starke Unterleibschmerzen.
00:05:49: Die Ärzte stellen eine sogenannte Divertikulitis fest,
00:05:53: es ist bestimmt vielen von euch auch ein Begriff,
00:05:54: es handelt sich dabei um Ausstülpungen des Darmes,
00:05:57: durch die Entzündungen entstehen können.
00:05:59: Und genau das hatte ich auch mal, ich kann euch sagen, die Schmerzen sind nicht schön,
00:06:03: die sind nämlich wirklich fürchterlich.
00:06:05: Das geht ganz plötzlich los.
00:06:06: Ich weiß nur, ich habe nachts in Embryonalhaltung in meinem Bett gelegen,
00:06:10: ich habe mich wirklich vor Schmerzen gewunden
00:06:12: und habe dann irgendwann morgens um 3, 4 den Rettungsdienst gerufen.
00:06:15: Also ich kann Sven's Schmerzen absolut verstehen.
00:06:19: Er kommt auch ins Krankenhaus, bleibt eine Woche, bekommt Medikamente,
00:06:23: Antibiotika, die Schmerzen verschwinden mit der Entzündung zusammen.
00:06:28: Damit ihm sowas nicht wieder passiert,
00:06:29: stellt Sven in vielen Teilen seine Ernährung um.
00:06:32: Aber einige Zeit später sind diese fiesen Schmerzen im Bauch zurück
00:06:36: und wieder heißt die Diagnose Divertikulitis.
00:06:40: Es werden zwei weitere entzündete Darmausstülpungen festgestellt,
00:06:44: bei denen zusätzlich ein Riss in der Darmwand diagnostiziert wird.
00:06:49: Jetzt kommt Sven um eine Operation nicht mehr herum.
00:06:51: Nach einigen Vorgesprächen entscheidet er sich für eine Klinik in der Nähe.
00:06:56: Beim behandelnden Arzt hat er ein gutes Gefühl.
00:06:58: Der führt die Operation dann allerdings gar nicht durch.
00:07:01: Obwohl das laut Sven so geplant gewesen sei, er erfährt das erst kurz vor seiner OP.
00:07:07: Ein anderer Chirurg übernimmt den Eingriff,
00:07:09: dabei wird der Teil des Darmes, der gerissen war, herausgenommen.
00:07:13: Nach der Operation klagt Sven über starke Schmerzen.
00:07:16: Die Ärzte sagen ihm, dass sei nach so einem Eingriff nicht ungewöhnlich
00:07:20: und geben ihm Schmerzmittel.
00:07:22: Am dritten Tag nach der OP bekommt Sven Fieber.
00:07:25: Ihm wird gesagt, das könne jetzt verschiedene Ursachen haben,
00:07:28: aber die Entzündungswerte im Blut sind erhöht und das Fieber steigt.
00:07:32: Sein Bauch schwillt an wird immer dicker und Sven geht es auch immer schlechter.
00:07:37: Er kann kaum atmen, er kann sich kaum bewegen,
00:07:39: er liegt einfach nur da, um die Schmerzen irgendwie zu ertragen.
00:07:43: Am vierten Tag nach der Darmoperation wird Sven geröntgt.
00:07:47: Dabei, sagt Sven, hätten die Ärzte Flüssigkeit im Bauchraum entdeckt.
00:07:51: Er geht davon aus, dass er jetzt operiert werden muss.
00:07:54: Stattdessen kommt er auf die Intensivstation.
00:07:57: Am nächsten Tag entscheiden sich die Ärzte dann doch zu operieren.
00:08:01: Diese OP übernimmt dann der Arzt, der eigentlich auch die erste Operation durchführen sollte.
00:08:06: Er sagt zu Sven, sie kommen jetzt in keine anderen Hände mehr.
00:08:10: Darin erinnert sich Sven ganz genau.
00:08:12: Nach der zweiten Operation erklärt ihm der Arzt,
00:08:15: dass die Ursache für die Schmerzen und auch das Fieber eine Entzündung gewesen sei,
00:08:20: die durch einen Riss im Darm entstanden sei, bei der ersten OP.
00:08:24: Sei das passiert.
00:08:25: Diesen Teil des Darmes habe man dann bei der zweiten OP entfernt
00:08:29: und der ganze Bauchraum sei gereinigt worden.
00:08:32: Aber viele Organe seien inzwischen entzündet gewesen.
00:08:36: Und ab jetzt zieht Sven quasi ein Dauerabo im Operationssaal.
00:08:40: Es folgen, sage und schreibe, knapp 30 Operationen innerhalb eines Monats.
00:08:46: Es wird ständig wieder gespült, gereinigt.
00:08:49: Das ist wirklich eine irre Anzahl an OP's und natürlich auch eine ganz große Belastung.
00:08:54: Peter jetzt aus juristischer Sicht.
00:08:56: Das heißt ja erst mal noch nix.
00:08:57: Du hast uns schon mal erzählt, dass viele Folgeoperationen
00:09:00: noch nicht auf den Ärztefehler hinweisen müssen.
00:09:02: Weil so viele waren ja jetzt bei ihm nicht geplant.
00:09:04: Nein, das ist nicht zwangsläufig der Fall.
00:09:07: Es kann auch schicksalhaft zu Beschädigungen der Darmwand kommen
00:09:13: und dann entsprechenden Folgen und dann müssen Spülungen
00:09:17: auch in eine sehr, sehr großer Anzahl durchgeführt werden.
00:09:20: Das beruht nicht immer auf einem ärztlichen Fehler.
00:09:23: Also auch schicksalhaft kann es zu vielen, vielen Folgeoperationen kommen.
00:09:28: Es kann eine Wundheilungsstörung, kann sich bilden und dann entsprechende Folgen nach sich ziehen
00:09:34: oder in sämtlichen Bereichen des Körpers kann auch schicksalhaft etwas eintreten.
00:09:39: Aber ich möchte einen anderen Punkt aufgreifen, den du genannt hast,
00:09:43: der jetzt vielleicht den einen oder anderen beschäftigt.
00:09:46: Und zwar hat sich Sven ja für einen bestimmten Arzt entschieden.
00:09:51: Jetzt könnte man die Frage stellen, ja, ist das vielleicht schon fehlerhaft,
00:09:54: wenn die Operation jemand anderes durchführt?
00:09:58: Ja, tatsächlich könnte das sein, dass man daraus Ansprüche herleiten kann.
00:10:03: Dann muss aber dieser Fakt beispielsweise im Vorfeld,
00:10:08: ich möchte mich nur vom Chefarzt operieren lassen,
00:10:11: dann muss dies Vertragsbestandteil werden.
00:10:14: Also Bestandteil des Behandlungsvertrags.
00:10:17: Das muss dann quasi, um es auch beweis- und gerichtsfest zu machen, im Vertrag stehen.
00:10:23: Ich möchte von Doktor sowieso operiert werden und von niemand anderen.
00:10:28: Und dann hat man möglicherweise, wenn die Operation doch jemand anderes durchführt,
00:10:33: entsprechende Ansprüche.
00:10:34: Wenn man das nur so daher sagt und der Arzt sagt, ja, ich mache das schon.
00:10:37: Wie war das denn in diesem Fall?
00:10:38: Dann ist das schwierig.
00:10:39: War das vertraglich abgesichert?
00:10:41: Nein, das war nicht abgesichert.
00:10:43: Und darum konnte man da auch nichts entsprechendes herleiten.
00:10:47: Aber das vielleicht als Tipp, wenn einem das besonders wichtig ist,
00:10:50: muss man das zum Vertragsinhalt machen.
00:10:52: Okay, guter Hinweis.
00:10:53: Man kann sich vorstellen, der Mann ist ja wirklich jeden Tag in den OP geschoben worden.
00:10:57: Vier Wochen lang. Sven verbringt fast anderthalb Monate im Krankenhaus. Am Anfang muss er künstlich
00:11:03: ernährt werden, ganz langsam lernt er wieder zu essen. Es braucht auch eine Weile, bis er
00:11:08: überhaupt wieder gehen kann. Das kostet ihn viel Geduld, viel harte Arbeit. Mit den Folgen der
00:11:13: Bauchentzündung nach den vielen Operationen muss Sven künftig leben. Er arbeitet jetzt nur noch vier
00:11:18: Stunden am Tag, dann kann er nicht mehr sitzen und sich auch gar nicht mehr konzentrieren. Wahnsinnig
00:11:24: gerne würde immer wieder in so eine schnelle Runde mit seinem heiß geliebten Rennrad drehen, aber
00:11:27: auch da bekommt er sehr schnell Schmerzen. Aber Sven ist ein Kämpfer, er arrangiert sich auch mit seinem
00:11:33: neuen Leben. Dabei sagt er, er hilft ihm hauptsächlich seine Frau, aber auch sein Kampfgeist, den er vor
00:11:39: vielen Jahren als Leistungssportler schon hatte. Sein Leben wäre eigentlich auch jetzt so weitergelaufen,
00:11:45: wenn er nicht eines Tages einen Anruf bekommen hätte. Und am Telefon war seine Krankenkasse. Dort
00:11:53: waren nämlich die hohen Krankenhauskosten aufgefallen. Also es meldet sich bei ihm die Abteilung
00:11:58: Behandlungskosten. Man wolle überprüfen, ob es sich um einen Behandlungsfehler bei ihm handele. Wenn
00:12:06: ja, dann darf die Krankenkasse die Kosten vom Krankenhaus zurück fordern. Insgesamt sei es um
00:12:11: eine Summe von etwa 85.000 Euro gegangen. Peter, ich glaube, diesen Fall hatten wir bisher noch nicht.
00:12:17: Also es haben Behandlungsopfer oder die Angehörigen, die Erben, die Staatsanwaltschaften, Verfahren,
00:12:23: angestrebt. Diesmal geht diese Idee von einer Krankenkasse aus. Also es musste eigentlich auch
00:12:27: häufiger vorkommen, dass die da Motor sind. Ich kenne das ja einfach nur so, dass die sagen,
00:12:32: wir zahlen nicht, aber wir weisen nicht auf mögliche Behandlungsfehler hin. Ja, da muss man
00:12:38: einen Blick in die Historie vornehmen. Also es ist so, dass vor vielen, vielen Jahren, ich muss
00:12:46: schon sagen, Jahrzehnten war es so, dass Krankenkassen an sich nie vorangegangen sind.
00:12:52: Die sind nie von sich aktiv geworden, haben, wenn der Patient oder der Versicherungsnehmer
00:12:59: aus Sicht der Krankenkasse Erfolg hatte, sich das Urteil schicken lassen oder den Vergleich und
00:13:05: sind dann aktiv geworden. Das war so ein Stück weit so eine Trittbrettfahrer-Mentalität. So habe
00:13:10: ich das immer ein bisschen abschätzig auch genannt. Das hat sich so in den letzten Jahren
00:13:15: ein Stück weit geändert, weil die Krankenkassen natürlich erkannt haben. Sie haben sehr hohe
00:13:20: Behandlungskosten und wenn der Versicherungsnehmer aus Gründen wie beispielsweise fehlender Rechtsschutzversicherung,
00:13:28: keinen Nerv, keine Zeit, möchte sich damit nicht belasten, nicht aktiv geworden ist,
00:13:33: mussten sie schon vorangehen, um sich die Kosten im Regresswege erstatten zu lassen. Und in Fällen,
00:13:42: wo diese Beträge recht hoch sind, sind die Krankenkassen dann auch vorgegangen. Es sind dann
00:13:48: entsprechende Abteilungen bei den Krankenversicherungen gebildet worden, die für so ein Behandlungsfehlermanagement
00:13:56: zuständig waren und sind auch Vorreiter gewesen. Wir vertreten selbst auch die ein oder andere
00:14:02: Krankenkasse in diesen Fällen und da fällt so ein Stück weit auch mal was ab für den Patienten,
00:14:08: weil wenn die Gutachten eingeholt haben oder sogar ein Prozess geführt haben, der erfolgreich war,
00:14:13: kann man das auch verwenden für den Patienten. Also das hat sich ein Stück weit gewandelt und
00:14:19: da können auch die Patienten froh sein, dass das diesen Weg genommen hat. Also nur das ja
00:14:24: richtig verstehe. Wer klagt denn dann? Also in diesem Fall bei Sven, da rät ihm die Krankenkasse,
00:14:29: er soll sich bitte ein Anwalt suchen. Warum klagt die Krankenkasse nicht selber? Ja, es gibt immer
00:14:35: noch die Fälle, wo die Krankenkasse hofft, dass der Versicherungsnehmer aktiv wird und sie sich dann
00:14:40: später anschließen können. Also wir werden in fast allen Fällen von Krankenkassen angeschrieben,
00:14:47: wenn das Verfahren läuft, nennen sie uns doch mal das gerichtliche Aktenzeichen, schicken
00:14:51: uns bitte mal den Vergleich das Urteil, wir wollen jetzt auch. Also es ist eher selten, dass eine
00:14:55: Krankenkasse dann klagt? Ja, das ist in Fällen, wo sie nicht so hohe Kosten hatten oder wo es vielleicht
00:15:02: nicht so klar von der Ausgangslage aus deren Sicht ist, sind die immer noch ein Stück weit zurückhalten.
00:15:08: Das wird immer mehr. Wir vertreten auch in kleineren Fällen, also wo die Krankenkasse nicht so hohe
00:15:13: Kosten hatte, die Krankenkassen in Prozessen, aber das ist auch sehr, sehr unterschiedlich. Es
00:15:19: gibt ja viele kleine Betriebskrankenkassen, die da mitunter zurückhaltend sind. Das gilt nicht
00:15:23: für alle, wir vertreten auch einige Betriebskrankenkassen, die da sehr aktiv sind. Das ist sehr,
00:15:27: sehr unterschiedlich. Aber ja, sie lassen immer noch in einzelnen Fällen den Versicherungsnehmer
00:15:33: vorangehen und wollen dann partizipieren an dem Ergebnis, was dann nachher rauskommt.
00:15:38: Genau so ist es in diesem Fall. Also die Krankenkasse rät Sven, wie gesagt, sich ein Anwalt zu nehmen,
00:15:44: lass mich raten, das warst du. Das hast du richtig erkannt, weil sonst hätte ich über den Fall ja
00:15:49: auch nicht berichten können. Er ist korrekt. Wir sind tätig geworden, das ist richtig. Wir haben in
00:15:54: dem Fall, nachdem wir selbst die Bahnungsunterlagen sorgsam gesichtet hatten, haben wir ein Verfahren
00:16:01: vor der zuständigen Gutachter-Kommission in die Wege geleitet. Gutachter-Kommission, ja, in
00:16:09: manchen Bundesländern heißt das Institut auch "Schlichtungstelle". Das ist ein Gremium, was von
00:16:15: den Ärztekammern eingerichtet worden ist, um die Frage nach einem Behandlungsfehler gutachterlich
00:16:21: zu beurteilen. Und früher war es so, dass die Gutachter-Kommissionen "Schlichtungstellen"
00:16:29: aus Ärzten, nur aus Ärzten bestanden haben. Seit etlichen Jahren sind jetzt auch Juristen dazu
00:16:37: gekommen, was ich gut und richtig halte, weil die juristische Komponente blieb bei den, das Verfahren
00:16:43: abschließenden, gutachterlichen Bescheiden immer außen vor. Das hat sich zum Glück weitestgehend
00:16:48: gewandelt. Dieses Verfahren hat den großen Vorteil, dass es kostenfrei ist und hat aber den
00:16:56: Nachteil, dass die Gegenseite mit involviert wird. Also wenn es negativ ausgeht, weiß die Gegenseite
00:17:04: auch immer direkt, worauf sie sich in einem etwaig dann nachfolgenden Gerichtsverfahren
00:17:09: stützen kann. Darum geht es immer, bevor man dieses Verfahren einleitet, mit einem Anwalt drüber
00:17:15: zu sprechen, ob das der richtige Weg ist. Das ist nicht immer der richtige Weg, weil allein die
00:17:20: Kostenfreiheit macht es noch nicht zum Goldstandard. Man muss gucken, was man macht und das weiß der
00:17:26: erfahrene Arzfthaftungsrechtler nach Sichtung der Unterlagen, was am besten ist. Hier war es aber so,
00:17:33: dass der Weg über die Gutachter-Kommission für ärztliche Haftpflichtfragen der richtige war.
00:17:40: Da wurde ein medizinisches Gutachten eingeholt und der Gutachter hat dort festgestellt, dass grobe
00:17:49: Fehler gemacht worden sind. Einmal war es fehlerhaft, dass bei der ersten Operation die Entfernung der
00:17:56: Divertikelperforation unterlassen worden ist und was noch gravierender war, es wurde im Anschluss an
00:18:04: die Operation einige Tage später, insgesamt drei Tage später eine Computertomographie durchgeführt
00:18:12: und bei dieser wurde dann festgestellt, dass es zu dieser Perforation gekommen ist. Und es wurde
00:18:19: nicht und das war schlichtweg zu fordern, umgehend operiert, sondern es wurde noch ein Tag zugewartet,
00:18:27: bevor operiert worden ist. Also eine weitere Verzögerung von 24 Stunden und dadurch ist es zu
00:18:35: weit aus größeren Schäden gekommen und da hat der Sachverständige der seitens der Gutachter
00:18:41: Kommission eingeschaltet worden ist, gesagt, das ist völlig unverständlich. Man hat die Perforation
00:18:47: auf dem CT gesehen und hat nichts gemacht. Da kann man nur den Kopf schütteln, das ist ein
00:18:53: sogenannter grober Fehler, ein Fehler, der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf und das
00:18:59: ist auch nicht mehr verständlich, dass man da zugewartet hat. Und dieser Sachverständigen
00:19:04: Einschätzung hat sich dann auch die Kommission als solche angeschlossen und einen Behandlungsfehler,
00:19:10: einen groben Behandlungsfehler bzw. sogar mehrere festgestellt und den Ratschlag erteilt, dass sich
00:19:16: die Parteien außergerichtlich Verständigen mögen. Diesem Ratschlag ist in dem Fall, das ist leider
00:19:24: nicht immer so, aber in dem Fall schon der Krankenhausträger auch nachgekommen und wir haben
00:19:31: uns letztendlich auf einen Vergleichsbetrag von 150.000 Euro als Schadensersatz verständigt.
00:19:39: Also es gibt jetzt diesen Vergleich von 150.000 Euro Sven ist damit aber eigentlich nicht ganz
00:19:43: zufrieden, er hätte sich gewünscht, dass zum Beispiel auch die Rente berücksichtigt
00:19:49: worden wäre. Schließlich kann er ja jetzt wie gesagt nur wenige Stunden am Tag arbeiten. Er wollte
00:19:53: aber nicht vielleicht ja auch jahrelang weiterkämpfen. Was war denn dein Rat an ihn? Ja, das ist oftmals
00:20:00: eine Weichenstellung an der ein Mandant steht. Er muss entscheiden, bin ich mit dem Vergleich und
00:20:08: Vergleich ist immer ein Kompromiss, also ein gegenseitiges Nachgeben bin ich damit einverstanden,
00:20:13: ist das noch in Ordnung für mich. Das ist nicht das Maximale mit unter nur der Spatz in der Hand,
00:20:19: der aber auch mit unter besser sein kann als die Taube auf dem Dach. Also viele Prozesse dauern
00:20:26: ja viele Jahre mit ungewissem Ausgang und da sind ja alle Mandanten unterschiedlich gestrickt. Man
00:20:33: kann da nur einen Ratschlag geben, wie es vermutlich ausgehen wird, aber es muss letztendlich jeder
00:20:38: für sich entscheiden, ob er mit einem Vergleich einverstanden ist, um sich dann etliches, was ihn
00:20:44: dann in der Folge vielleicht auch belastet finanziell, nervlich oder wie auch immer die
00:20:49: Genesung vielleicht sogar noch behindert, ob er dann damit zufrieden ist oder ins gerichtliche
00:20:55: Verfahren übergeht. Sven war mit diesem Betrag, den ich auch durchaus angemessen ansehe, zumindest
00:21:01: im Kompromisswege zufrieden und darum haben wir letztendlich nicht geklagt und die Sache damit
00:21:09: abgeschlossen. Das ist auch das, was Sven unbedingt will, er will damit abschließen. Also er sagt
00:21:14: heute über sich, er sei absolut nicht mehr der alte. Psychisch habe ihn die ganze Tortur
00:21:18: natürlich sehr mitgenommen. Zeitweise war er in Therapie, weil er, wie er es damals ausgedrückt
00:21:24: hat, gefühlsblind wurde. Also er hat eigentlich gar nichts mehr gefühlt. Jetzt will er, wie gesagt,
00:21:30: mit der Vergangenheit abschließen und nach vorne blicken und dabei wünschen wir ihm natürlich alles Gute.
00:21:34: Und damit endet die heutige Folge von Tatort Krankenhaus, wenn Ärzte Fehler machen. Wir sehen und hören uns
00:21:41: nächste Woche wieder. Also wir zwei sehen uns und ihr hört uns. Gerne nächste Woche neue Folge am Donnerstag.
00:21:48: Macht's gut, bis dahin. Tschüssi.
00:21:49: Tatort Krankenhaus, der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.
00:21:54: SWR 2021
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