Tatort Krankenhaus - Gewichtsexplosion

Shownotes

Jeden Morgen steigt Simone auf ihre Waage, welche ihr ein Gewicht verkündet, mit welchem sie sich einfach nicht anfreunden kann. Seit ihrer Tumor-Operation vor ca. vier Monaten ist sie nicht nur blind, sondern wiegt nunmehr auch rund 40 kg mehr.

Die langjährige Radiomoderatorin Tanina Rottmann und der aus dem TV bekannte Patientenanwalt Peter Gellner schildern auf verständliche Art und Weise echte Fälle ärztlicher Kunstfehler und geben wertvolle Tipps aus der Insiderperspektive.

Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: info@tatort-krankenhaus.de

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Transkript anzeigen

00:00:00: * Musik *

00:00:03: "Tatort Krankenhaus", der Podcast mit Tanina Rotmann und Peter Gelner.

00:00:27: Das ist schön, dass ihr wieder da seid.

00:00:30: Wir sind's ja auch.

00:00:31: Neue Folge "Tatort Krankenhaus, wenn Ärzte Fehler machen".

00:00:34: Mit Peter und Tanina.

00:00:35: Und mit Brust von euch.

00:00:37: Wir haben nämlich festgestellt,

00:00:39: durch uns werdet ihr richtig sportlich.

00:00:42: Michael hat uns geschrieben.

00:00:43: Genau. Damit ich nichts Falsches erzähle,

00:00:46: lese ich das mal vor, was er geschrieben hat.

00:00:48: Hallo Peter, Hallo Tanina, Hallo Team, Tatort Krankenhaus.

00:00:51: Vielen Dank, dass ihr meine Fragen in der Sonderfolge besprochen habt.

00:00:55: Ich weiß das sehr zu schätzen.

00:00:57: Ich finde den Podcast sehr informativ.

00:00:59: Und leider auch etwas erschreckend,

00:01:01: wenn ihr von den Schicksalen berichtet.

00:01:04: Macht bitte weiter.

00:01:05: Und ich freue mich schon sehr auf die neuen Folgen.

00:01:08: PS, inklusive der heutigen Sonderfolge,

00:01:10: gibt es insgesamt 477 Minuten vom Tatort Krankenhaus.

00:01:15: Das haben wir ja noch nicht mal ausgerechnet.

00:01:18: Nein, mittlerweile sind wir auch schon über 500.

00:01:20: Aber damals waren es 477 Minuten.

00:01:23: Er schreibt dann weiter, meine Schrittgeschwindigkeit

00:01:25: liegt etwa bei 9,5 Minuten pro Kilometer.

00:01:30: Das heißt, ihr habt mich bisher bereits auf ca. 50 Kilometer begleitet.

00:01:35: Oh, Michael ist aber auch so ein kleiner Zahlenfuchs.

00:01:39: Also nimmt er uns beim Spazieren gehen mit.

00:01:42: Das finde ich gut.

00:01:43: Michael, da werden noch ein paar Kilometer dazukommen.

00:01:46: Da kannst du ganz fest mitrechnen.

00:01:48: Wir sind mit Tatort Krankenhaus.

00:01:50: Mit euch noch lange nicht fertig.

00:01:51: Ultra, ultra Marathon.

00:01:53: 50 Kilometer ist ja schon 8 Kilometer mehr als ein Marathon.

00:01:57: Da werden noch viele Marathons dazukommen.

00:02:00: Ja, also wenn du die 42,3 Kilometer vorlast, lieber Michael,

00:02:04: melde dich gerne wieder bei uns.

00:02:06: Dann feiern wir dich.

00:02:07: Peter, wir steigen in unsere heutige Materie ein.

00:02:12: Und da möchte ich dich erst mal um einen Gefallen bitten.

00:02:15: Ob du vielleicht noch mal ganz kurz zum Aufrischen,

00:02:18: pauschal oder an einem Beispiel erklärst,

00:02:21: wann man von einem einfachen

00:02:23: und wann man von einem groben Behandlungsfehler spricht.

00:02:26: Denn das ist wichtig für unseren Fallhäute.

00:02:28: Ja, das mache ich gerne auch wieder ein Stück weit vereinfacht

00:02:32: und verkürzt, weil das ist richtig.

00:02:34: Das ist aber auch generell wichtig,

00:02:36: weil die Beweislast unterschiedlich ist.

00:02:38: Also bei einem groben Behandlungsfehler

00:02:41: kehrt sich die Beweislast um,

00:02:42: dann muss der Arzt beweisen,

00:02:45: dass er nichts falsch gemacht hat,

00:02:48: dass es keine entsprechenden gesunterlichen Konsequenzen hatte.

00:02:51: Und das ist beim einfachen Behandlungsfehler nicht so.

00:02:53: Da liegt die Beweislast beim Patienten.

00:02:56: Darum ist diese Unterscheidung sehr, sehr wichtig.

00:02:58: Und es gibt natürlich eine sehr lange, schwierige,

00:03:02: legal Definition des Bundesgerichtshofs

00:03:05: zum groben Behandlungsfehler.

00:03:07: Die Gerichte übersetzen das dann immer,

00:03:09: dass gegen das fettgedruckte Verstoßen worden ist,

00:03:13: gegen das, was einem Studenten im ersten Semester

00:03:16: schon einleuchten muss und so weiter.

00:03:18: Das sind die teilweise sehr unpräzisen Umschreibungen

00:03:22: der Gerichte für einen groben Behandlungsfehler.

00:03:25: Der BGH leitet die Definition ein

00:03:28: mit einem Fehler, der einem Arzt schlechter Dings

00:03:31: nicht unterlaufen darf.

00:03:32: Also das ist so ein Stück weit eher die seriöse Umschreibung.

00:03:37: Und was viele falsch annehmen,

00:03:40: ist, dass der medizinische Sachverständigen,

00:03:42: der sehr häufig involviert wird in einem Prozess,

00:03:44: bestimmen kann, sagen kann, was ein grober Fehler ist.

00:03:47: Nein, im Endeffekt ist die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers

00:03:52: eine rechtliche Feststellung, keine medizinische.

00:03:54: Er kann Anklüpfungstatsachen, Schildern,

00:03:57: warum ein Fehler als grob in rechtlicher Hinsicht

00:04:00: bezeichnet werden kann.

00:04:02: Aber es ist keine medizinische Feststellung.

00:04:04: Das wissen auch viele Gerichte noch niemals,

00:04:07: die denken auch, das muss der Sachverständige uns sagen, nein.

00:04:10: Das muss das Gericht feststellen, das ist eine rechtliche Frage.

00:04:13: Ja, dass das viele Gerichte nicht wissen,

00:04:15: ist vielleicht nicht ganz richtig umschrieben.

00:04:16: Das wissen die meisten Gerichte schon,

00:04:18: weil die meisten Gerichte, zumindest Landgerichte,

00:04:22: Oberlandesgericht spezielle Arzthaftungskammern,

00:04:25: so heißen die beim Landgericht,

00:04:26: und Arzthaftungsnate beim Oberlandesgericht haben.

00:04:29: Es gibt noch ganz, ganz wenige Landgerichte,

00:04:32: die keine spezielle Arzthaftungskammer haben,

00:04:34: wo die Gerichte dann auch über Baurecht und Mietrechte entscheiden.

00:04:38: Aber das ist wirklich nur noch die Ausnahme.

00:04:40: Also ich kenne noch zwei, wahrscheinlich gibt es ein paar mehr.

00:04:43: Aber die meisten haben mittlerweile

00:04:45: die speziellen Arzthaftungskammern.

00:04:47: Und beim Oberlandesgericht sowieso,

00:04:49: die Arzthaftungskammer gibt es bei allen Oberlandesgerichten.

00:04:52: Behaltet das im Hinterkopf, wie gesagt.

00:04:56: Die Frage tut sich in unserem Fall heute mal wieder auf.

00:05:00: Und da lernt ihr Simone kennen.

00:05:02: Erst einmal stellen wir euch die Simone von heute vor,

00:05:05: nach ihrer Behandlung.

00:05:07: Eine Behandlung, die so nicht hätte laufen sollen.

00:05:10: Simone ist jetzt 41 Jahre alt,

00:05:12: sie arbeitet seit zwei Jahren nicht mehr

00:05:14: in ihrem absoluten Traumjob.

00:05:16: Sie war Bauingenieurin.

00:05:18: Und sie hat es geliebt, Verantwortung für große Projekte zu übernehmen.

00:05:21: Heute verlässt sie nur noch selten das Haus zum einen,

00:05:24: weil ihr einfach der Antrieb fehlt.

00:05:26: Ihre Welt ist grau geworden, so beschreibt sie selbst.

00:05:29: Simone leidet unter Depressionen und sie schämt sich.

00:05:32: Jeden Morgen steigt Simone auf ihre Sprachgesteuerte Waage

00:05:36: und mal wieder verkündet diese ein Gewicht,

00:05:38: mit dem sich Simone einfach nicht anfreunden kann.

00:05:41: Sie wiegt jetzt mehr als 150 Kilo vor zwei Monaten.

00:05:44: War es noch knapp 40 Kilo weniger.

00:05:47: Und daran ändert sich einfach nichts.

00:05:50: Egal, was Simone anstellt,

00:05:51: auf ihre heiß geliebten Schokoküsse verzichtet sie schon lange,

00:05:55: aber auch jede andere Diät versagt bei ihr.

00:05:57: Der Hauptgrund für ihren Ausstieg aus dem Beruf

00:06:00: ist allerdings ein ganz anderer.

00:06:02: Simone ist seit einer Operation erblindet.

00:06:06: Das ist wahrscheinlich jetzt der Moment,

00:06:08: in dem ihr euch fragt, wie heißt der Fall?

00:06:10: Gewichtsexplosion geht es denn hier nicht vielleicht

00:06:14: doch eher um ein Behandlungsfehler,

00:06:16: bei dem Simone ihr Augenlicht verloren hat.

00:06:18: Peter, vielleicht erklärst du uns das mal ganz kurz.

00:06:21: Es hängt ja schon beides miteinander zusammen.

00:06:23: Ja, das ist richtig.

00:06:25: Simone hat durch eine Operation, über die wir gleich noch genauer

00:06:28: sprechen werden, ihre Sehkraft auf beiden Augen leider verloren.

00:06:32: Und das beruht aber nicht auf einem ärztlichen Fehler,

00:06:35: sondern das ist schicksalhaft eingetreten

00:06:37: und darum auch nicht der Kern oder Bestandteil unseres Falles.

00:06:41: Vielmehr geht es hier um die Folgen,

00:06:43: die in der Nachbehandlung dieser Operation stattgefunden haben.

00:06:46: Also ganz generell ist zu sagen, es gibt auch immer wieder

00:06:49: gesundheitliche Schäden in Abgrenzung zu den gesundheitlichen Schäden,

00:06:53: die auf Behandlungsfeldern beruhen, die schicksalhaft eingetreten sind.

00:06:56: Die gehen auch manchmal Hand in Hand.

00:06:58: Da muss man schauen, so wie in diesem Fall,

00:07:00: die Erblindung hat überhaupt nichts mit einem Fehler zu tun.

00:07:03: Die ist leider als Komplikation der Operation,

00:07:06: über die wir noch sprechen werden, eingetreten.

00:07:09: Um der Sache heute aber auf die Spur zu kommen,

00:07:11: beginnen wir mit Simones Erkrankung.

00:07:14: Als die ersten Symptome bei ihr einsetzen,

00:07:16: ist Simone 38 Jahre alt und sie verspürt immer öfter Kopfschmerzen.

00:07:20: Erst fällt ihr das gar nicht so sehr auf,

00:07:22: da sie oft nach einem langen Arbeitstag mit Kopfschmerzen

00:07:25: in den Feierabend geht.

00:07:27: Oft hilft ihr ein entspanntes Bad in der Wanne

00:07:29: oder auch ein gemütliches Abendessen,

00:07:31: einfach, dass sie zur Ruhe kommt.

00:07:33: In letzter Zeit kommen die Schmerzen aber immer früher am Tag

00:07:36: und mittlerweile ist es ein Dauerkopfschmerz.

00:07:39: Simone greift täglich zu Schmerztabletten.

00:07:41: Die wirken zuerst auch, aber ohne Tabletten

00:07:44: sind die Schmerzen ständig da.

00:07:46: Dann kommen auch noch Sehstörungen dazu.

00:07:48: Die fallen ihr besonders beim Lesen auf, beim Autofahren

00:07:51: und auch in ihrem Job,

00:07:53: immer öfter verschwimmen Text und Zeichnungen auf ihrem Bildschirm.

00:07:56: Besorgt lässt sich Simone von ihrem Hausarzt untersuchen.

00:07:59: Es dauert allerdings noch einige Wochen,

00:08:01: bis die Diagnose ans Licht kommt.

00:08:03: Simone leidet an einem Hypophysentumor.

00:08:07: Peter, wir betonen regelmäßig, dass wir beide keine Mediziner sind

00:08:10: und auch, dass wir hier keinen Medizin-Podcast machen.

00:08:13: Aber wir sind natürlich durchaus in der Lage,

00:08:15: dabei Ärzten nachzufragen und gegebenenfalls auch nachzugugeln.

00:08:19: Also die Hypophüse ist im Hirn.

00:08:22: Das in Verbindung mit dem Wort "Tumor",

00:08:25: das klingt ja direkt schon, wenn man sich jetzt nicht auskennt,

00:08:28: wie ein Todesurteil.

00:08:29: Ja, "Tumor" sagt eigentlich erst mal gar nichts aus.

00:08:32: Oder Raumforderung heißt das ja im Ärztedeutsch.

00:08:36: Man weiß ja nicht, ob das bösartig oder gutartig ist.

00:08:39: Und beim Hypophysentumor ist es in den meisten Fällen

00:08:43: eine gutartige Geschuld der Hirn-Anhangdrüse,

00:08:47: die etwa 30-40% der Hirntumore ausmacht.

00:08:51: Hypophysentumore sind aufgrund moderner microchirurgischer Verfahrenstechnik

00:08:55: in der Regel gut therapiebar.

00:08:57: In den meisten Fällen kann ein Hypophysentumor

00:09:01: relativ gut behandelt und entfernt werden,

00:09:04: so dass es für den Patienten auch keine besonderen Komplikationen gibt

00:09:08: und auch keine Beschwerden bleiben.

00:09:10: In diesem Fall spricht man auch von einem Adenom.

00:09:13: Das ist eine gutartige Geschuld.

00:09:16: Wenn ein Hypophysen-Adenom bereits eine gewisse Größe erreicht hat,

00:09:20: kann es auf den benachbarten Sehnerv drücken

00:09:23: und zur Abnahme des Seevermögens führen.

00:09:26: Bei Symone sind Schäden schon so weit vorangeschritten,

00:09:30: dass sie in Folge der Tumor-Operation erblindet.

00:09:34: Mit diesem Schicksal muss sie erst mal irgendwie umgehen.

00:09:37: Gut, vier Wochen nach dem Eingriff kommt Symone

00:09:40: zur Anschlussbehandlung in eine Fachklinik

00:09:42: für neurologische Rehabilitation.

00:09:45: Da wird sie mit dem Medikament Hydrokortison behandelt.

00:09:48: Da machen wir natürlich auch einen medizinischen Abstecher.

00:09:52: Was ist Hydrokortison in einfachen Worten

00:09:54: und warum wird das bei Symone angewandt?

00:09:56: Dafür ist es wichtig, zu wissen,

00:09:58: was die Hypophysen im Hirn tatsächlich leistet.

00:10:01: Sie erklärt, die Hypophys ist eine kleine Drüse im Hirn

00:10:05: und spielt eine entscheidende Rolle.

00:10:07: bei der Regulation der Cortisolproduktion. Und Cortisol, das kennt jeder auch als Stresshormon,

00:10:14: wird in der sogenannten Nebenlierenrinde produziert. Und in der Hypophüse wird ein Hormon ausgeschüttet,

00:10:21: dass die Nebenlierenrinde stimuliert, eben dieses Cortisol zu produzieren. Wenn, wie hier im Fall von

00:10:30: Simone, die Hypophüse durch die Tumorbildung nicht richtig funktioniert, kann der Cortisol-Spiegel,

00:10:35: also der Stresshormonspiegel, durcheinander geraten. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder produziert der Körper

00:10:42: durch den Tumor zu viel vom Stresshormon, dann spricht man auch vom sogenannten Cushing-Syndrom.

00:10:48: Andererseits kann man auch eine Unterfuktion der Hypophüse zu einem zu niedrigen Cortisol-Spiegel führen.

00:10:55: Danke, Professor Doktor Doktor Peter Gelner an dieser Stelle. Also bei Simone ist es auf jeden Fall Letzteres.

00:11:00: Als Folge der Tumorentfernung fällt bei ihr der Cortisol-Spiegel stark ab. Die normalen, hier in anderen drüßen Zellen

00:11:07: sind durch das Adenom geschrumpft und die brauchen einfach einige Monate, bis sie sich wieder erholt haben.

00:11:13: Da jetzt Cortisol aber lebensnotwendig ist, dieses Stresshormon, muss der Zeitraum irgendwie überbrückt werden,

00:11:20: bis sich die körpereigene Cortisolbildung normalisiert hat. Und diesen Prozess unterstützt der Arzt im Klinikum,

00:11:27: in dem sie sich befindet, mit der Gabe von Hydro-Cortison. Ich hoffe, ihr konntet uns soweit folgen.

00:11:34: Soweit läuft auch alles gut. Simone nimmt weiterhin ihre Medikamente. Sie ist auf dem Weg der Besserung.

00:11:40: Ein halbes Jahr nach der Operation wird sie Patientin in einer dritten Klinik. Dort beginnen ihre Reha-Maßnahmen.

00:11:47: In den folgenden Wochen, Simone ist mittlerweile längst aus der Reha entlassen, geht es ihr immer schlechter.

00:11:53: Sie ist zum einen psychisch angeschlagen, lustlos, depressiv und ihr Körper verändert sich mehr und mehr.

00:12:00: Simone wird mehr und mehr. Die Hosen kneifen. Der morgendliche Gang auf die Waage ist für Simone der absolute Horror.

00:12:08: Innerhalb von vier Monaten hat sie fast 40 kg mehr auf den Rippen. Außerdem Wassereinlagerung in den Beinen und Füßen.

00:12:16: Simone ist verzweifelt und bittet schließlich ihre Hausärztin um Rat. Die kommt dem Grund auch ziemlich schnell auf die Spur.

00:12:24: Simone bekommt seit ihrem Aufenthalt in der Reha-Klinik ein anderes Medikament und ein für sie falsches Medikament.

00:12:31: Wie sich herausstellt, hatten dort die behandelnden Ärzte Hydro-Cortison durch die Kortine ersetzt. Simone weiß davon nichts.

00:12:39: Peter will ich das jetzt richtig nachgeforscht habe. Dann ist das Medikament Dekortin jetzt nicht unbedingt ein falsches Medikament.

00:12:49: Das kommt durchaus schon nach der Entfernung eines Hypophysen-Tumors zum Einsatz. Aber bei Simone war es nicht die richtige Entscheidung. Warum?

00:12:58: Dekortin hat eine viel stärkere Wirkung und dann kam es quasi über diese Wochen hinweg zu einer völligen Überdossierung.

00:13:07: Der Sachverständige, der später eingeschaltet worden ist, spricht von einer vierfachen Überdossierung. Also gewaltig.

00:13:15: Die hat bei Simone dann die beschriebenen Folgen gezeigt, nämlich die starke Gewichtszunahme 10 kg pro Monat, das über vier Monate hinweg.

00:13:25: Unglaubliche Gewichtsexplosion und auch die psychischen Beeinträchtigungen wie Depressionen.

00:13:31: Simone Hausärztin sorgt dann dafür, dass sie wieder umgestellt wird auf das erste Medikament, auf das Hydro-Cortison.

00:13:38: Aber da ist das Kind quasi in den Brunnen gefallen, denn diese vielen, vielen überflüssigen Funde wird Simone mit Sicherheit so schnell und vielleicht auch gar nicht wieder los, dass es die Prognose der Ärztin.

00:13:51: Also bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt Apotheker oder den Fachanwalt für Medizinrecht Peter Gelner.

00:13:58: Also ich stolpe immer noch über diese unfassbare Diagnose, dass sie nach dieser OP erblindet ist.

00:14:04: Und dann ist es eine recht hohe Hemmschwelle zu sagen, ja ok, ich habe jetzt zugenommen durch ein Medikament, da gehe ich aber zum Anwalt.

00:14:11: Also ich wüsste gar nicht, ob ich deswegen losgegangen wäre. Ich finde das ist das schon außergewöhnlich auch für dich.

00:14:16: Nein, überhaupt nicht, weil 40 kg in vier Monaten, das ist schon gewaltig.

00:14:21: Ja, will man auch nicht haben.

00:14:22: Nein, und wie wir es auch beschrieben haben, das ist eine Gewichtsexplosion und 40 kg mehr auf den Rippen, das kann sich jeder lebhaft, glaube ich, vorstellen, was das noch an Beeinträchtigungen mit sich bringt.

00:14:33: Und gerade wenn man mit einer Begleiterkrankung kämpfen muss, nämlich der Erblindung, ist das Körpergewicht nochmal von besonderer Bedeutung.

00:14:41: Darum ist das völlig in Ordnung. Man kann ja das eine verfolgen und wenn das andere Schicksal ist, dann stellt man das an die Seite, aber trotzdem bleibt ja der Fehler in diesem Bereich.

00:14:51: Und darum kann man das nicht komplett ausblenden.

00:14:54: Und ja, hier war die Schwierigkeit wie in vielen Fällen, das kann ich nicht so recht nachvollziehen.

00:15:00: Wir sind auch wieder vor Gericht gegangen. Es gab wieder einen Sachverständigen Gutachten.

00:15:04: Was ich nachvollziehen kann, ist, dass Gutachter ärztliche Sachverständige sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, eine Überdosierung als grob fehlerhaft zu bezeichnen.

00:15:16: In medizinischer Hinsicht. Wer mehr gelernt ist, ist es ein rechtlicher Begriff, aber auch in den medizinischen Anknüpfungstatsachen sind ja zu liefern.

00:15:25: Und da sind die immer zurückhaltend. Also ich weiß nicht, wie das kommt. Die sagen immer, ja, das kann passieren, Überdosierung.

00:15:31: Das ist ein einfacher Fehler, nur das kommt zwar nicht tagtäglich vor, aber das ist jetzt nicht so, wo man den Zeigefinger erheben muss und sagen, du, du, du.

00:15:41: Da sind die immer sehr zurückhaltend. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber es ist schlicht weg so.

00:15:47: Und so war es auch in diesem Fall, dass der Sachverständige gesagt hat, das ist nur ein einfacher Fehler. Also da zu einem groben Fehler zu kommen, da bin ich nicht mit dabei.

00:15:59: Die Frage ist aber doch, warum ist denn das Medikament überhaupt umgestellt worden?

00:16:05: Warum hat man in dem Krankenhaus gedacht, also das reicht hier nicht, wir müssen da höher dosieren?

00:16:10: Hat man, war das der Grund, also was war denn die Begründung, dass man das Medikament gewechselt hat?

00:16:14: Ja, das war im Endeffekt ja auch unser weiterer Ansatz. Also wir haben nicht gesagt, dass die Überdosierung allein maßgeblich sein kann für die Beurteilung, sondern der Wechsel des Medikaments.

00:16:26: Das wurde von den behandelnden Ärzten in dem Fall so erklärt, dass die Patientin an Fieber erkrankt sei, wo es Fieber gehabt habe und einen erhöhten Corticoidbedarf.

00:16:42: Und darum hätte man wechseln müssen auf die Cortin. Und da hat der Sachverständige gesagt, ne dem ist nicht so, man hätte das nicht wechseln müssen und das war an sich kontraindiziert.

00:16:54: Und das war eigentlich so der Hauptansatzpunkt zu sagen, man hätte das Medikament gar nicht wechseln dürfen.

00:17:01: Es war also kontraindiziert und damit grob fehlerhaft.

00:17:04: Und im Endeffekt sind wir dann auch damit durchgedrungen. Das hat der Sachverständige dann auch verstanden, wo da der rechtliche Unterschied liegt.

00:17:12: Und darum ging das Verfahren nachher auch positiv für Simone aus, weil vorher und jetzt nochmal die Unterscheidung beim einfachen Fehler hätten wir nicht nachweisen können, dass die Gewichtszunahme allein auf der Gabe des überdosierten Medikaments bestanden hat.

00:17:29: Jetzt hatten wir aber den groben Fehler und jetzt musste der Arzt nachweisen seinerseits, dass es ohne den Medikamentenwechsel auch zu einer deutlichen Gewichtszunahme gekommen wird.

00:17:42: Das konnte er nicht nachweisen und da hat sich die Beweislast umgekehrt. Und das war dann vorteilhaft für Simone in diesem Fall.

00:17:51: Und daher hat das Gericht auch entsprechend dann geurteilt und ihr sind in Summe 40.000 Euro in Schädigung zugesprochen worden.

00:18:00: Und das halte ich in dem Fall auch für einen durchaus angemessenen Betrag.

00:18:05: Eigentlich wollte sie nach der Operation eine Weiterbildungsmaßnahme machen. Die kann sie natürlich jetzt nicht mehr machen.

00:18:11: Aber die kann sie natürlich allein auch aus dem Grund nicht mehr machen, weil sie ja durch die OP erblindet ist.

00:18:17: Ja, also wenn die Erblindung auch auf den Fehler zurückzuführen wäre und damit einhergehend die Berufsunfähigkeit, dann wären wir bei ganz anderen Schadenspositionen.

00:18:29: Das meine ich.

00:18:30: Aber das ist komplett auszublenden, weil es schicksalhaft eingetreten ist.

00:18:34: Es bleibt allein als schadensfolge, als gesundheitliche Schadensfolge, die Gewichtszunahme.

00:18:41: Und wie die Ärzte prognostizieren, wird sie auch nicht so ohne Breitleres das Gewicht wieder verlieren können.

00:18:47: Darum ist es auch ein Dauerschaden und darum ist dieser Betrag durchaus angemessen.

00:18:52: Ich sitze hier und denke wieder, was für ein Irrafall schon wieder.

00:18:56: Ja, es gibt nichts, was nicht schon vorgekommen ist, aber man muss sich immer wieder klarmachen, das sind mitunter auch Einzelfälle oder zumindest sehr, sehr selten vorkommende Fälle.

00:19:07: Das hoffe ich doch.

00:19:08: Die Hoffnung ist sicherlich berechtigt.

00:19:10: Das ist ein Horrozzenario, was wir vielleicht jede Woche hier schildern, aber da sind ja die Ausnahmen.

00:19:16: Die meisten Behandlungen gehen ja fehlerfrei über die Bühne und da soll nicht ein verwischter Eindruck entstehen, dass das jetzt quasi bei jeder zweiten Operation so vorkommt.

00:19:26: Dem ist ganz und gar nicht so.

00:19:28: Ich glaube auf jeden Fall, dass wir unsere Hörer heute auch wieder zum Staunen gebracht haben.

00:19:35: Vielleicht habt ihr auch wieder ein bisschen was gelernt.

00:19:37: Das ist ja auch immer ganz wichtig, dass wir von dem Prallenwissen unseres Anwaltes Peter immer so ein bisschen was mitnehmen.

00:19:44: Peter, dann bist du für heute entlassen?

00:19:46: Ich aber quasi auch, aber ich hätte wohl Bock nächste Woche Donnerstag auf eine neue Folge mit dir.

00:19:52: Dann machen wir nächste Woche Donnerstag einfach weiter.

00:19:55: Bis dahin lasst euch gerne mal bei uns auf der Instagram-Seite blicken.

00:19:58: Da erfährt ihr immer noch so ein bisschen was drum herum und auch schon mal so einen kleinen Appetit haben.

00:20:03: Immer auf die nächste Folge.

00:20:04: Wir freuen uns drauf.

00:20:06: Tanina und Peter sagen für heute.

00:20:07: Tschüssi.

00:20:08: Tatort Krankenhaus. Der Podcast mit Tanina Rotmann und Peter Gelner.

00:20:13: Ich bin der Gellner.

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