Tatort Krankenhaus - Fake news

00:00:00: * Musik *

00:00:03: "Tatort Krankenhaus", der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:00:28: Und da geht das auch schon los.

00:00:30: Wir starten eine neue Runde "Tatort Krankenhaus, wenn Ärzte Fehler machen".

00:00:34: Ihr seid dabei, wir sind's auch. Ich bin Tanina, grüß euch.

00:00:37: Viele Grüße auch von mir, hier ist Peter.

00:00:39: Dann macht's euch jetzt schön gemütlich oder joggt weiter

00:00:43: oder achtet weiter auf den Straßenverkehr,

00:00:46: weil ihr im Auto unterwegs seid.

00:00:48: Hier ist unser neuer Fall für euch.

00:00:50: Da lernt ihr mit uns Simona kennen.

00:00:53: Simona hat gerade in einer riesigen Sause ihren 50. Geburtstag gefeiert.

00:00:58: Bei ihr kann man wirklich behaupten, 50 ist das neue 30.

00:01:02: Denn Simona sieht einfach top aus.

00:01:04: Die Gene meinen es sehr gut mit ihr, aber sie tut auch viel für sich und ihre Gesundheit.

00:01:09: Seit vielen Jahren tanzt sie in einer Frauengruppe.

00:01:12: Hier und da schiebt sie ein paar Trainingseinheiten im Gym ein.

00:01:16: Und im Sommer gehört sie zu den ersten,

00:01:18: die sich eine Dauerkarte fürs Freibad kauft.

00:01:21: Dann sieht man sie auch fast jeden Morgen ihre Bahnen ziehen,

00:01:24: bevor sie anschließend zur Arbeit radelt.

00:01:27: Und ihren Job würde sie gegen keinen anderen auf der Welt eintauschen.

00:01:31: Simona arbeitet als Pflegerin in einem Zoo.

00:01:34: Gesundheitlich hat sie noch nie irgendetwas Schlimmeres gehabt.

00:01:38: Im Krankenhaus war sie nur einmal als Kind,

00:01:40: als sie sich beim Toben das Handgelenke gebrochen hat.

00:01:43: An einem Morgen im August, Simona ist gerade wieder zehn Bahnen im Freibad geschwommen.

00:01:49: Sie steht unter der Dusche und sieht, wie eine andere Schwimmere neben ihr sich die Brust abtastet.

00:01:55: Die beiden Frauen kommen locker ins Gespräch.

00:01:58: Simona erfährt, dass die andere Frau eine Brustkrebserkrankung hinter sich hat

00:02:03: und sich seitdem regelmäßig nach Knoten abtastet.

00:02:06: Das sei vielleicht ein bisschen übertrieben,

00:02:08: aber sie mache das, wie das Zähne putzen auch.

00:02:11: Täglich, das gehört einfach dazu, sagt sie.

00:02:14: Die Frauen quatschen noch ein bisschen

00:02:16: und dann macht sich Simona auf den Weg zur Arbeit.

00:02:19: Das Gespräch mit der anderen Schwimmerin geistert ihr aber den ganzen Tag durch den Kopf

00:02:24: und als sie abends zu Hause ankommt, tastet auch sie ihre Brüste ab.

00:02:29: Und tatsächlich in der rechten Brust spürt sie etwas, eine Verhärtung.

00:02:34: An der Stelle würde ich als Außenstehende jetzt sagen,

00:02:37: ja, natürlich spürt sie jetzt an Knoten.

00:02:39: Wenn man sich da mit den Tag übergedanklich beschäftigt,

00:02:42: dann meint man ja wirklich, dass da was ist.

00:02:45: Aber einen Termin bei Frauenarzt, würde ich auch auf jeden Fall sofort machen,

00:02:49: denn Brustkrebs kommt nun mal sehr häufig vor, Peter.

00:02:53: Du kannst uns das gerade mal bitte einordnen.

00:02:55: Ja, das mache ich gerne.

00:02:57: Also 30% aller Krebsfälle bei Frauen ist der Brustkrebs

00:03:02: und damit die häufigste Krebserkrankung.

00:03:05: Aktuell muss man von ungefähr 70.000 Brustkrebserkrankungen,

00:03:10: neuen Brustkrebserkrankungen im Jahr, ausgehen.

00:03:13: Dann erhält die Frau leider die Diagnose Mammakarzinom.

00:03:18: Zusätzlich werden jedes Jahr etwa 6000 Vorstufen von Brustkrebs gefunden

00:03:23: und derzeit erkrankt eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs,

00:03:29: also eine sehr, sehr hohe Zahl.

00:03:31: Dabei steigt das Risiko natürlich mit zunehmenden Alter.

00:03:35: Jüngere Frauen sind nur selten betroffen.

00:03:38: Erst ab dem 40. und besonders ab dem 50. Lebensjahr

00:03:41: erhöht sich das Risiko, um dann ab dem 70. Lebensjahr wieder abzusinken.

00:03:47: Aber das soll nicht heißen, dass auch jüngere Frauen,

00:03:51: wir hatten ja einmal über den Fall der 21-Jährigen,

00:03:55: berichtet, die an Brustkrebs erkrankt ist,

00:03:58: nicht auch Gefahr laufen an Krebs zu erkranken,

00:04:01: insbesondere Brustkrebs.

00:04:03: Also wir haben auch einige Mandantinnen, die unter 30 sind

00:04:07: und an Brustkrebs erkrankt sind.

00:04:09: Man kann es wirklich in keinem Alter ausschließen,

00:04:12: was mich daran jetzt ehrlich gesagt so ein bisschen überrascht ist,

00:04:15: dass das ab einem höheren Alter, also ab 70 / 75, wieder abnimmt.

00:04:19: Ich dachte, dass das Risiko konstant hoch bleibt,

00:04:22: das nimmt ja wieder ab.

00:04:23: Also ich würde mir das jetzt dadurch erklären,

00:04:25: dass das Zellwachstum ja auch nachlässt im Alter.

00:04:28: Ja, und die wachsen ja auch nicht mehr so schnell.

00:04:30: Also junge Frauen, die betroffen sind, da ist der Krebs häufig

00:04:33: oder der Tumor schnell wachsender, aggressiver.

00:04:36: Und es gibt viele Menschen, die jenseits der 70, der 80 sind,

00:04:41: jetzt nicht nur Frauen, auch Männer, die an Krebs erkrankt sind,

00:04:44: die nicht an dem Krebs versterben, sondern an anderen Ursachen.

00:04:48: Also das ist gar nicht so selten,

00:04:50: weil der sich dann einfach nicht mehr so entwickelt,

00:04:52: die Krebszelle wie bei einem jungen Menschen.

00:04:55: Okay, wenn wir jetzt hier schon alles ungeschönt ehrlich auf den Tisch packen,

00:04:59: dann lass uns doch gerade bitte auch nochmal über Heilungschancen sprechen.

00:05:02: Ja, das gilt eigentlich für alle Krebsarten.

00:05:05: Je früher der Krebs entdeckt wird,

00:05:07: Umso besser kann man ihn 

00:05:10: behandeln und letztendlich heilen. Das gilt

00:05:13: wie gesagt für alle Krebsarten. Darum ist es wichtig, Anzeichen

00:05:17: und Warnsignale, die auf

00:05:19: Brustkrebs hinweisen zu kennen und dann

00:05:23: auch ernstzunehmen und weitgehende

00:05:26: Untersuchungen in die Wege leiten zu lassen.

00:05:28: Am bekanntesten ist sicherlich das ein

00:05:31: Knoten erstastet wird.

00:05:33: du wirst uns sicherlich noch andere Symptome nennen,

00:05:36: die auf Brustkrebs hinweisen können, Tanina.

00:05:38: Auch wenn in den meisten Fällen,

00:05:40: das will ich an dieser Stelle explizit sagen,

00:05:42: eine harmlose Ursache dahinter steckt,

00:05:45: sollten Frauen beim Auftreten dieser Beschwerden

00:05:48: oder Symptome oder Veränderungen immer ihren Arzt,

00:05:51: ihre Ärztin aufsuchen,

00:05:53: um einfach abzuklären, ob es sich wirklich

00:05:55: um eine schwerwiegendere Erkrankung handelt oder nicht.

00:05:59: Und weitere Anzeichen, die für Brustkrebs sprechen könnten,

00:06:04: ich bleibe direkt beim Konjunktiv, Tanina,

00:06:07: was kannst du uns dazu noch sagen?

00:06:09: Ja, ich habe noch einige Punkte und da bleibe ich bei deinem Konjunktiv, Peter.

00:06:12: Das kann ein Hinweis sein auf Brustkrebs, muss aber nicht.

00:06:16: Zum Beispiel kann die Brust eine veränderte Form aufzeigen

00:06:21: oder eine veränderte Größe, das kann ein Hinweis sein.

00:06:24: Über Verhärtung und Knoten haben wir schon gesprochen,

00:06:26: in der Brust aber auch in der Achselhöhle.

00:06:29: Wenn der Arm gehoben wird,

00:06:31: dann verformt sich vielleicht eine Brust anders als die andere.

00:06:35: Das kann ein Indiz sein.

00:06:37: Oder auch die Brust zieht sich an einer Stelle ein,

00:06:41: also das ist dann die sogenannte Orangenhaut, oder schwilt an.

00:06:44: Auch an einer Brustwarze kann man mögliche Faktoren erkennen

00:06:49: für Brustkrebs, wenn sich nämlich die Brustwarze einzieht

00:06:52: oder es gibt Veränderungen an der Brustwarze

00:06:55: oder die Brustwarze sondert sogar eine Flüssigkeit ab.

00:06:58: Das kann auch eine blutige Flüssigkeit sein.

00:07:01: Eine Brust zieht,  schmerz, schwillt an.

00:07:04: Auch das kann ein Indiz sein, ist natürlich schwierig,

00:07:07: das zu unterscheiden, weil in der Schwangerschaft

00:07:10: da schwillen Brüste auch an.

00:07:12: Oder auch wenn man die Menstruation hat, da spannen Brüste.

00:07:16: Das ist in dem Fall natürlich dann völlig normal

00:07:19: und das muss ja dann kein Indiz auf eine Krebserkrankung sein.

00:07:22: Aber ein guter Rat ist auf jeden Fall geht los,

00:07:25: geht zum Frauenarzt und lasst euch lieber einmal mehr als einmal zu wenig untersuchen.

00:07:31: So, und dann sollte das natürlich eine fähige Ärztin,

00:07:34: Frauenärztin oder ein guter Frauenarzt sein.

00:07:37: Das setzt man einfach mal voraus.

00:07:39: An dieser Stelle habe ich nämlich mal so einen kleinen Exkurs,

00:07:42: nämlich eine Geschichte, die mir passiert ist.

00:07:44: Mein Frauenarzt war vor ein paar Jahren im Urlaub.

00:07:48: Ich wollte mich aber vor meinem Urlaub noch einmal kurz durchchecken lassen.

00:07:53: Bin dann zur Urlaubsvertretung gegangen, das war eine Frauenärztin.

00:07:57: Die kannte ich wirklich gar nicht.

00:07:59: Das ging auch alles da so relativ schnell Untersuchung.

00:08:03: Und als wir fertig waren, habe ich gefragt,

00:08:06: ob sie mir dann vielleicht einmal noch mal die Brust abtasten könnte.

00:08:09: Und das Gesicht hätte ihr mal sehen sollen.

00:08:11: Also das war Langeweile auf zwei Beinen.

00:08:14: Da hatte die überhaupt keinen Bock drauf.

00:08:16: Die hat auch meine Brust nicht abgetastet,

00:08:18: sondern hat mir stattdessen, so einen DIN A4-Zettel in die Hand gegeben,

00:08:21: da waren so Comiczeichnungen drauf.

00:08:23: Von einer Frau, die ihre Brust abtastet.

00:08:26: Drei Worte Text.

00:08:28: Und mit dieser Zeichnung hat die mich dann nach Hause geschickt.

00:08:32: Normalerweise mache ich meinen Mund auf,

00:08:34: aber da war ich absolut sprachlos.

00:08:37: Ich habe auch gedacht, also von der möchte ich mir jetzt auch die Brust nicht abtasten lassen.

00:08:40: Unfassbar.

00:08:41: Zwei Wochen später hatte ich dann einen Termin bei meinem regulären, festen Frauenarzt.

00:08:46: Ich habe ihm die Geschichte erzählt, der konnte es überhaupt nicht glauben.

00:08:49: Und natürlich hat er erstmal in aller Ruhe meine Brust abgetastet.

00:08:53: Nach Knötchen oder Auffälligkeiten.

00:08:55: Also das ist wirklich so eine Nummer, also mit sowas solltet ihr euch nicht abspeisen lassen,

00:09:00: dass ein Frauenarzt oder eine Frauenärztin in dem Fall den Zettel in die Hand drückt, wo drauf steht.

00:09:05: Also das kann ich auch googeln.

00:09:06: Dafür brauche ich meine Fachärztin und meinen Facharzt nicht.

00:09:09: Ja, das ist völlig unverständlich. Also keine Lust abzutasten.

00:09:12: Das habe ich so auch noch nie gehört.

00:09:14: Ja, ich auch nicht.

00:09:15: Ich habe natürlich mit meinen Freundinnen darüber gesprochen,

00:09:17: und die haben auch gesagt, also sowas hätte sie noch nie erlebt.

00:09:20: Also dann gehen wir jetzt mal davon aus, dass das wirklich eine ganz, ganz große Ausnahme war.

00:09:24: Ja, mir fehlen da auch die Worte, wenn ich sowas höre.

00:09:26: Also keine Lust abzutasten, in dem Wissen, was man alles entdecken kann

00:09:31: und was das für Folgen haben kann, wenn man es nicht entdeckt.

00:09:34: Das ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit.

00:09:37: Also kein Arzt, keine Ärztin sollte mit "Ich habe keine Lust an solche Aufgaben" herangehen.

00:09:43: Ja, ich denke, das sind wir uns wirklich alle einig.

00:09:45: Kommen wir zurück zum Fall von Simona.

00:09:47: Simona sucht ihre langjährige Frauenärztin auf,

00:09:50: nachdem sie ja in einer Brust ein Knubbel ertastet hat.

00:09:54: Und auch die Ärztin ertastet diese Verhärtung in Simonas Brust

00:09:58: und überweist sie in ein Mammazentrum, also in eine Klinik für Brustkrebs.

00:10:02: Warum heißt das Mammazentrum oder Brustkrebs auch Mammakarzinom?

00:10:06: Ist ganz einfach erklärt, kommt aus dem lateinischen Mammar, ist einfach die Brust.

00:10:11: Wie wir schon gehört haben, ist der Brusttumor der häufigste, der bei Frauen vorkommt.

00:10:16: Männer erkranken auch an Brustkrebs, aber ganz, ganz selten,

00:10:20: aber bei Frauen ist es auf Platz 1 der Krebserkrankungen.

00:10:24: Wir sind jetzt wieder gedanklich bei Simona in der Klinik.

00:10:27: Dort wird eine Mammasonographie, also ein Ultraschall der Brust gemacht,

00:10:32: da sich der Verdacht auf eine vergrößerte Drüse bestätigt,

00:10:36: wird anschließend noch eine Stanzbiopsie durchgeführt.

00:10:39: Das bedeutet, der Arzt oder die Ärztin schießt mit einer speziellen Biopsiepistole

00:10:43: über eine Führungskanüle, eine Biopsienadel in das Brustgewebe

00:10:48: und stantzt dann dort mehrere kleine Gewebeproben heraus,

00:10:51: die natürlich im Labor untersucht werden müssen.

00:10:54: Das dauert immer ein paar Tage und wer von euch so was schon mal mitgemacht hat,

00:10:58: auf ein Ergebnis gewartet hat, nervös war, aufgeregt war,

00:11:01: weil es vielleicht auch eine schlechte Nachricht bringen könnte,

00:11:05: der weiß, dass das eine ganz fürchterliche Zeit ist.

00:11:08: Also man kann nichts machen, man kann nur warten

00:11:11: und versuchen irgendwie, seine Gedanken zu sortieren.

00:11:13: Nach einigen Tagen bekommt Simona dann ihr Laborergebnis

00:11:17: und es ist leider nicht gut, der Knoten in ihrer Brust ist bösartig,

00:11:22: Simona ist an Brustkrebs erkrankt.

00:11:24: Und dann geht das Behandlungsszenario auch schon direkt los.

00:11:27: Es werden zahlreiche weitere Untersuchungen gemacht, wie beispielsweise Ultraschall.

00:11:31: Mammografie.

00:11:33: Sechs Wochen später erfolgt dann die Operation zur Entfernung des bösartigen Tumors

00:11:38: und nach der Operation bekommt Simona zwei gute Nachrichten,

00:11:44: die in Summe aber doch eher eine schlechte Nachricht sind.

00:11:47: Weiß gar nicht, wie ich euch das anders beschreiben soll.

00:11:49: Es sieht so aus, der Brustkrebs ist erfolgreich entfernt.

00:11:53: Gute Nachricht.

00:11:55: Und die anschließende Untersuchung bringt ein sehr überraschendes Ergebnis.

00:11:59: Das entfernte Gewebe aus Simonas Brust enthält nichts,

00:12:03: aber auch gar nichts bösartiges, keine Krebszellen.

00:12:07: Zur Sicherheit wird auch noch eine DNA-Untersuchung gemacht

00:12:10: und auch die bestätigt dieses Ergebnis.

00:12:12: Simona hat keinen Krebs.

00:12:15: Für diese gesamte Diagnostik musste Simona, um eine Chemotherapie zu umgehen,

00:12:20: eine zwölfwöchige Hormontherapie machen,

00:12:23: die natürlich nicht nötig gewesen wäre,

00:12:25: in einer weiteren Operation die auch...

00:12:27: nicht nötig gewesen wäre, wurde die betroffene Brust der gesunden Brust angeglichen.

00:12:32: Diese ganze Nummer, all das was bis hierhin passiert ist, ist für Simona absolut psychisch belastend.

00:12:39: Das Bedarf, keiner weiteren Erklärung, also sie hat wirklich eine Achterbahn der Gefühle

00:12:43: jetzt hinter sich. Hat sie jetzt Krebs oder hat sie jetzt keinen? Peter, wie konnte es

00:12:48: denn zu dieser katastrophalen Falsch-Mitteilung kommen?

00:12:50: Ja letztendlich lässt sich das ganz einfach erklären. Es ist schlicht weg zu einer Verwechslung

00:12:56: der Gewebeproben nach der Stanzbiopsie gekommen. Simona hatte das Ergebnis der Laboruntersuchung

00:13:02: einer anderen Patientin erhalten. Das ist diese Horrorvorstellung, die ich immer habe,

00:13:07: dass meine Ergebnisse verwechselt wurden. Wie oft kommt denn sowas vor? Also wie oft landet

00:13:12: sowas denn bei dir in der Kanzlei? Das kommt relativ selten vor und es gibt zwei Konstellationen.

00:13:18: Also es wird dann problematisch, wenn man dann eine Diagnose erhält einer Patientin, die an

00:13:24: bösartigen Tumor vorzuweisen hat und man selber eigentlich quasi gesund ist oder man bekommt

00:13:31: die Diagnose. Es ist alles gut, einer Patientin, die an Brustkrebs erkrankt ist und es wird

00:13:37: weiter nichts unternommen, obwohl man vielleicht selber entsprechend erkrankt ist. Also jeweils

00:13:43: Horror-Szenarien. Im Fall von Simona könnte man natürlich jetzt sagen, sie hat bessere Variante

00:13:48: dieses Falls erwischt. Sie denkt, sie hat eine Krebserkrankung und es stellt sich heraus, sie hat

00:13:54: gar keine blöderweise, hat sie aber jetzt diese ganzen Maßnahmen, Behandlungen, Untersuchungen

00:13:59: schon durchlaufen und Operationen, die natürlich völlig überflüssig gewesen wären, wie wir

00:14:04: gesagt haben. Ist denn sowas nicht eine total deutliche und einfache juristische Geschichte für euch,

00:14:12: wenn nachgewiesen ist, die Ergebnisse sind verwechselt worden? Also dir müsste man ja eigentlich

00:14:17: schon Schmerzensgeld auf dem Silbertablett anbieten. Ja, im Grunde ist das schon einfacher und evidenter

00:14:22: Fall, aber hier ist es gänzlich anders. Wir haben nämlich hier mit zwei medizinischen Institutionen

00:14:30: zu tun. Einmal der radiologischen Praxis, in der die Stanzbiopsie vorgenommen worden ist und zum

00:14:36: anderen dem Institut für Pathologie, das dann die Webeprobe in der Folge ausgewertet hat. Verkürzt

00:14:42: zusammengefasst ließen sich die Versicherer beider Institute dann später dahingehend ein,

00:14:49: dass der jeweilige Versicherungsnehmer nur mit höchster Sorgfalt arbeitet, alles unternimmt,

00:14:55: damit keine Verwechslungen vorkommen und eigentlich alles richtig gemacht hat. Also beide Versicherer

00:15:01: haben, ja man kann schon sagen, mithin den Schwarzen Peter, dem jeweils anderen involvierten

00:15:07: Institut zugeschoben. Eine außergerichtliche Einigung konnte daher nicht erzielt werden und dies trotz

00:15:14: unter Hinweis auf eine wenig bekannte, aber sehr interessante Vorschrift des BGB, des

00:15:19: Bürgerlichen Gesetzbuches, nämlich dieses Paragrafen 830 Absatz 1 Satz 2. Also diese Vorschrift,

00:15:27: die viele gar nicht kennen, auch von den Juristen nicht kennen, dient der Überwindung von Beweisschwierigkeiten

00:15:33: eines Geschädigten, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern soll, dass nicht mit Sicherheit

00:15:39: festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten der eigentliche Schädiger gewesen ist. Das hört

00:15:46: sich jetzt so ein Stück weit kompliziert an. Hier steht ja fest, dass die Probe verwechselt worden

00:15:51: ist, entweder im Haus A oder im Haus B. Das ist gesichert. Simona kann nur nicht nachweisen,

00:15:58: es ist im Haus A passiert oder es ist im Haus B passiert. Aber beide Verwechslungen könnten

00:16:03: dazu führen, dass der Ersatzanspruch erfolgreich gelten gemacht werden kann. Und da es jetzt hier

00:16:10: nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, bei wem das passiert ist, beim Radiologischen

00:16:15: Institut oder in der Pathologie, gibt es diese Vorschrift des BGB, die sagt, der Schädiger

00:16:21: muss hier so gestellt werden, als wenn es nur einen Schädiger gibt, weil beide könnten es gewesen

00:16:27: sein, er kann es nicht nachweisen und dann gibt es diese Beweiserleichterung. Und deswegen haften

00:16:33: die quasi gemeinschaftlich. Simona hat ja wirklich einiges durchgemacht. Was hat sie denn dann jetzt

00:16:39: im Endeffekt davon gehabt? Also was konntet ihr für sie erkämpfen? Ja, sie hatte die Beweiserleichterung

00:16:45: nach dieser Vorschrift, die wir auch außergerichtlich den jeweiligen Versicherern quasi an die Hand

00:16:52: gegeben haben, aber die hielten die Vorschrift nicht für einschlägig. Darum mussten wir leider wieder

00:16:58: vor Gericht ziehen und das Gericht hat diese Vorschrift aber für einschlägig angesehen und

00:17:05: entsprechend die beiden Gegenseiten, wir hatten dann quasi beide verklagt, darauf hingewiesen und

00:17:12: zu einem Vergleich, ich will nicht sagen gedrängt, aber doch herangeführt, man soll sich da nochmal

00:17:19: klarmachen, dass man hier aus gerichtlicher Seite darauf abstellen würde, dass diese Beweiserleichterung

00:17:26: Simona zukommen wird und darum haben wir uns verglichen auf einen Betrag von 15.000 Euro,

00:17:35: den sich die beiden Institute geteilt haben. Nicht genau 50/50 war eine unterschiedliche

00:17:42: Aufteilung, die haben untereinander auch nochmal verhandelt, aber die sind beide dann quasi bereit

00:17:47: gewesen einen Teil dieses Betrages von 15.000 Euro zu zahlen. Also 15.000 kommt mir ehrlich gesagt bei

00:17:55: diesem Ritt, den Simona da durchgemacht hat, ein bisschen wenig vor. Ja, das könnte man auf

00:18:00: den ersten Blick glauben und meinen, auf den zweiten aber auch. Also wir haben ja schon öfter

00:18:05: drüber gesprochen, dass psychische Erkrankungen bei uns in Deutschland, was die Schadensgeldzusprechung

00:18:13: anbelangt oder was die Schmerzensgeldzusprechung anbelangt, sehr, sehr niedrig sind. Dass wir da

00:18:21: noch wirklich Nachholbedarf haben gegenüber vielen anderen Ländern, dass das wirklich nicht so

00:18:26: von der Schmerzensgeldseite so erfasst wird wie physische Erkrankungen, Verletzungen. Das ist

00:18:32: einfach das Problem und man muss wissen, dass die Rechtsprechung bei Operationen, die unnützt

00:18:40: durchgeführt werden. Beispielsweise, man verwechselt das linke mit dem rechten Knie, wird

00:18:45: operiert, wird aufgemacht, wird festgestellt, da ist gar nichts, macht wieder zu und begibt sich dann

00:18:50: auf die richtige Seite. Also bei unnützten Operationen ist die Rechtsprechung auch sehr

00:18:54: zurückhalten, was die Schmerzensgelde anbelangt, wenn die ganze Operation folgenlos bleibt. Also

00:19:00: die obergerichtliche Rechtsprechung, also der Oberlandesgerichte ist in etwa in einem Korridor

00:19:06: zwischen zweieinhalb und dreieinhalb tausend Euro für eine Operation, die nicht indiziert war und

00:19:12: die dann aber folgenlos geblieben ist. Das ist kein hoher Betrag, zweieinhalb bis dreieinhalb

00:19:17: tausend Euro, aber mehr gibt es in diesem Bereich gar nicht und da ist auch noch Nachholbedarf, was

00:19:23: die Höhe der Ansprüche anbelangt, aber da tun die sich die Gerichte seit jeher schwer. Bei

00:19:28: kompliziteren Operationen gibt es auch ein bisschen mehr, aber das ist so der Standard,

00:19:33: eine Knie verwechselt und die falsche Seite aufgemacht, Arthroskopie und das ist so die

00:19:38: Größenordnung. Für mich deutlich zu niedrig, aber im Moment geht es in diese Richtung und ich

00:19:44: hoffe, dass es so im Laufe der nächsten Jahre, vielleicht werden es auch Jahrzehnte Anpassungen

00:19:48: geben wird, dass dieser Betrag ansteigt und auch die psychische Belastung. Das kann sich ja jeder

00:19:53: vorstellen, wie schwer es ist, wenn man eine Krebsdiagnose bekommt, die ganze Behandlungen

00:19:58: angeht und plötzlich heißt, ach, Pustekuchen, Sie hatten doch nichts, tut uns leid, wir haben

00:20:02: sie verwechselt. Also was das mit einem auch psychisch in der Folge macht, in den Jahren danach,

00:20:08: das kann man sich glaube ich bildhaft vorstellen und gut, hier waren es jetzt mehr als diese 3000

00:20:13: Euro, sie hat ja auch ein paar Behandlungen mehr über sich ergehen lassen müssen, aber ich als

00:20:18: Richter hätte einen höheren Betrag als Vergleichsbetrag vorgeschlagen. Weißt du was ich mich an

00:20:23: dieser Stelle jetzt frage, was ist denn eigentlich mit der anderen Patientin? Also die hat es ja

00:20:29: noch viel schlimmer erwischt. Ihr wurde ein Ergebnis mitgeteilt, sie sei krebsfrei und muss ja jetzt,

00:20:36: nachdem diese ganze Geschichte bei Simona aufgeflogen ist, informiert worden sein, dass sie doch an

00:20:42: Krebs erkrankt ist und jetzt ist ja auch schon Zeit vergangen. Hast du über diese Patientin, über

00:20:47: diese Frau irgendeine Kenntnis? Nein, die ist nicht bei uns gelandet, ich weiß auch gar nicht, wie es

00:20:51: der dann weiter ergangen ist, aber es ist ja dann an dem Tag bekannt geworden auch für sie, als die

00:20:58: Verwechslung feststand, aber wie es ihr bis dahin ergangen ist oder dann in der Folge ergangen ist,

00:21:04: das entzieht sich meiner Kenntnis, aber ja, du hast völlig recht, der Fall ist deutlich dramatischer,

00:21:09: weil man wertvolle Zeit verloren hat, ihr eine fach- und sachgerechte Behandlung

00:21:14: total werden zu lassen und da steht Simona, wenn man jetzt Pest mit Kollera vergleichen will,

00:21:19: vielleicht doch ein bisschen besser da als die andere Dame, ja, aber ich weiß nicht, wie es bei

00:21:24: ihr weitergegangen ist. Ich weiß auch gar nicht, ob sie überhaupt rechtlich was unternommen hat,

00:21:28: keine Ahnung. Ah, Peter, du mal mit deinen Verwechslungsfällen, die machen mich ganz mull.

00:21:33: Ich erinnere mich ja auch noch an die tödliche Verwechslung, so hieß ja eine Folge von uns,

00:21:37: da ist ja ein Medikament verwechselt worden. Jetzt hatten wir hier diese Ergebnisverwechslung,

00:21:43: also für mich ist das wirklich, ich habe es schon mal gesagt, mein persönlicher Albtraum.

00:21:46: Im vergangenen Jahr hatte ich auch so eine Geschichte, da habe ich bei einer Ärztin wirklich ein

00:21:51: schlechtes Biobsie-Ergebnis erwartet und hatte mich da jetzt wirklich tagelang auch darauf eingestellt

00:21:57: und dann sitze ich bei ihrem Büro und sie sagt, machen wir es kurz und schmerzlos, es ist alles

00:22:02: O B, alles gut, wir haben da nichts und ich war jetzt so sehr darauf eingeschossen, hatte mich

00:22:09: da so sehr darauf vorbereitet, dass ich hier von Worst Case ausgehen muss und das da was ist,

00:22:14: dass ich mit dieser Information in dem Augenblick total überfordert war und ich habe wirklich

00:22:19: dreimal nachgefragt, sind sie sicher, dass das nicht im Labor verwechselt wurde, sie sagte,

00:22:24: nein, ihre Blutwerte passen auch zu all diesen Ergebnissen, das sind schon sie. Ich habe noch

00:22:29: mal gesagt, gucken sie noch mal nach, wie sicher können wir uns denn da sein? Bis ich geglaubt

00:22:34: habe, dass wirklich alles in Ordnung ist, da habe ich doch wirklich mehrfach nachgefragt.

00:22:38: Ja, die Fälle sind deutlich problematischer, also wenn man am falschen Knie operiert wird,

00:22:44: falsche Schulter oder was auch immer, falscher Lungenflügel, man bekommt das ja sofort,

00:22:52: stande Pede mit, zumindest wenn man wieder aufgewacht ist und sieht, falsches Bein,

00:22:57: aber hier in den Fällen bekommt man das ja im Regelfall gar nicht mit. Man hat ja keinen

00:23:01: Einblick in die Laboruntersuchung und kann schauen, ist das wirklich der richtige Patient?

00:23:06: Den eigenen Körper kann man betrachten und weiß, okay, das war jetzt die falsche Seite,

00:23:10: aber hier in den Fällen kann man sich nur darauf verlassen, dass das alles richtig gemacht wird

00:23:15: und es ist sicherlich so, also das wollen wir den Institut nicht absprechen, dass die entsprechende

00:23:19: Maßnahmen, Vorkehrungen ergriffen haben, dass es nicht zur Verwechslung kommen kann, aber es kann,

00:23:25: wo Menschen am arbeiten sind, immer zu Fehlern kommen und hier war es jetzt schlichtweg auch so

00:23:32: und es kam zu der Verwechslung und ja, mit dramatischen Folgen. Und genau aus dem Grund

00:23:38: ist der Fall von Simona wieder einer für unseren Podcast geworden. Tatort Krankenhaus,

00:23:42: wenn Ärzte Fehler machen (oder Labore). Peter, danke, dass du uns diesen Fall mitgebracht

00:23:50: hast. Wir wünschen Simona natürlich alles Gute und natürlich auch der uns unbekannten Patientin,

00:23:55: mit der die Daten vertauscht worden waren. Da hoffen wir natürlich auch, dass da alles gut

00:24:01: gegangen ist. Wir haben noch einen kleinen Hinweis für euch. Das ist erst mal so ein erstes Häppchen,

00:24:07: was wir euch so ein bisschen hinwerfen und zwar werden Peter und ich mit diesem Podcast umziehen.

00:24:15: Da erklären wir euch aber beim nächsten Mal noch alles weitere. Ihr werdet ihn auch ganz normal

00:24:22: auf den Plattformen oder auf der Plattform hören können, die ihr jetzt gerade auch nutzt. Es gibt

00:24:28: kleinere Veränderungen. Die wollen wir auf jeden Fall mit euch teilen. Das jetzt erst mal nur so

00:24:33: als kleines Häppchen und dann sagen wir für heute erst mal Tschüss. Ich hoffe, ihr habt euch gut

00:24:39: unterhalten gefühlt, vielleicht ein bisschen was dazu gelernt oder für euch persönlich rausgezogen.

00:24:43: Ja und dem schließe ich mich an und wir hören uns bis dahin. Tschüssi.

00:24:48: Tatort Krankenhaus. Der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.

00:24:53: [Musik]