Tatort Krankenhaus - Drama im Kreißsaal
Shownotes
Triggerwarnung Die allermeisten Geburten verlaufen problemlos. Aber in seltenen Fällen leider nicht. Lenas Tochter wäre gesund gewesen…
Die langjährige Radiomoderatorin Tanina Rottmann und der aus dem TV bekannte Patientenanwalt Peter Gellner schildern auf verständliche Art und Weise echte Fälle ärztlicher Kunstfehler und geben wertvolle Tipps aus der Insiderperspektive.
Fragen, Anregungen und Kritik gerne an: info@tatort-krankenhaus.de
Folgt uns auch auf Instagram @tatortkrankenhaus
Transkript anzeigen
00:00:00: [Musik]
00:00:22: "Tatort Krankenhaus" der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.
00:00:27: Hi zusammen, schön, dass ihr heute wieder mit dabei seid zu einer neuen Folge "Tatort Krankenhaus".
00:00:33: Mit Tanina und Peter.
00:00:35: Wir freuen uns sehr und wir haben euch schon von Anfang an gesagt, wir freuen uns tierisch über Rückmeldung von euch.
00:00:42: Sei es Lob, nehmen wir natürlich besonders gerne oder Anregungen.
00:00:45: Und wir haben gesagt, wir wollen auch Kritik von euch.
00:00:47: Gerne auch knallharte.
00:00:49: Und heute ist so ein Tag, wo wir euch mal ein bisschen Kritik, die wir bekommen haben, mal vorstellen wollen.
00:00:55: Zum Glück war das sehr, sehr wenig Kritik. Die meisten Zuschriften, Gott sei Dank, waren überaus positiv.
00:01:02: Aber die eine oder andere kritische Stimme kam auch und auf die möchten wir auch mal eingehen.
00:01:07: Genau, da fangen wir auch direkt an mit einer Hörerin, die schreibt, die, das sind in dem Fall dann wohl wir,
00:01:13: die machen einen Medizin-Podcast als medizinische Laine und haben keine Ahnung.
00:01:19: Ja, da liegt sicherlich ein kleiner Denkfehler vor. Wir werden zwar in den Podcast Charts unter der Rubrik Medizin geführt,
00:01:26: aber das ist an sich nicht richtig, weil wir machen einen Podcast im Medizinrecht, Betonung auf Recht.
00:01:33: Und wir ziehen uns dieses Kleidchen auch gar nicht an, dass wir hier medizinisches Fachwissen haben.
00:01:39: Natürlich, du hast das über die ganzen Jahre entwickelt, aber ich habe das nur natürlich ganz wenig.
00:01:44: Und also nochmal, wir sind keine Mediziner und wir wollen Fälle auch nicht einfach irgendwie einordnen,
00:01:50: sondern Peter, wir orientieren uns ja nun wirklich an ganz anderen Fakten.
00:01:53: 30 Jahre Tätigkeit im Medizinrecht führt zumindest dazu, dass man so ein medizinisches Grundverständnis hat.
00:02:00: Das kann man nicht vergleichen mit einer medizinischen Ausbildung oder einem Medizinstudium. Das wollen wir auch gar nicht.
00:02:06: Wir maßen uns das nicht an. Nein.
00:02:08: Aber man muss sich auch klarmachen, dass sämtliche Gerichtsentscheidungen, über die wir hier sprechen, immer fußen auch auf einem fachmedizinischen Sachverständigengutachten.
00:02:18: Und diese Sachverständigen, die sind Fachmediziner, die haben die Ahnung, ob das immer stimmt, das mag sicherlich zweifelhaft sein,
00:02:26: weil die Ärzte und Ärztinnen, die beschuldigt sind, eine andere Auffassung haben, aber entsprechend sind die Urteile dann so getroffen worden.
00:02:34: Und an nichts anderem orientieren wir uns an Urteilen zu diesen Fällen, an Gutachten zu diesen Fällen.
00:02:40: Aber wie in der Juristerei gibt es auch in der Medizin eben, ja, wie du sagst, unterschiedliche Auffassungen.
00:02:46: Und wenn uns mal in der eigenen medizinischen Beschreibung hier auch ein Fehler unterläuft, also nehmt uns das bitte nicht übel,
00:02:52: das kann auf jeden Fall passieren, ist auch gut, wenn ihr uns darauf aufmerksam macht.
00:02:55: Wir versuchen, alles so verlässlich wie eben möglich zu recherchieren.
00:02:59: Uns geht sicherlich da auch mal das ein oder andere durch oder wir haben es nicht gut genug recherchiert, aber wir lassen uns beraten auch von Medizinern und Medizinerinnen.
00:03:07: Peter, und das ist uns auch ganz wichtig, wir wollen hier auch definitiv niemanden an den Pranger stellen.
00:03:11: Weder Ärzte noch ein Krankenhaus und auch dazu haben wir eine Kritik bekommen.
00:03:16: Da schreibt jemand, ihr verunglimpft den Berufsstand medizinisches und pflegerisches Personal.
00:03:22: Also das wollen wir ja nun wirklich überhaupt gar nicht.
00:03:24: An welcher Stelle haben wir das getan, um Gottes Willen?
00:03:26: Ich kann mich nicht erinnern. Ich sage auch immer, dass wir mit das beste medizinische System weltweit haben und mit das am besten ausgebildete medizinische Personal.
00:03:37: Also das tun wir nicht, wir zeigen nur Fehler auf in authentischen Fällen, also Fällen, die sich wirklich zugetragen haben.
00:03:45: Und wir Anwälte beispielsweise machen sicherlich keinen deut weniger Fehler und die haben aber nicht diese Konsequenzen,
00:03:53: die sind meist nur finanzieller Natur und wenn Mediziner, medizinisches Personal was falsch macht, hat das natürlich andere Folgen.
00:04:01: Und teilweise sehr gravierende, das hört man ja auch in unseren Fällen.
00:04:04: Und wichtig ist auch Fehler passieren oftmals auch wegen Personalmangel oder Übermüdung,
00:04:09: aufgrund zu vieler Schichten, die die im Krankenhaus auch schieben müssen.
00:04:12: Deshalb, liebes Medizinpersonal, also nehmt die aufgezeigten Fälle nicht persönlich.
00:04:19: Wir schießen gegen keinen Berufsstand, das ist nicht die Intention.
00:04:23: Und damit soll es für heute auch an der Kritikebene grad mal gut sein.
00:04:27: Wir haben einen neuen Fall, da sollten wir mal eintauchen.
00:04:30: Das machen wir.
00:04:31: Heute bei unserer Folge geht es um einen Fall und da haben wir uns einen Moment Gedanken drüber gemacht
00:04:38: und uns überlegt, dass da vielleicht doch eine Triggerwarnung notwendig sei.
00:04:43: Wie ihr am Titel der Folge erkennen könnt, geht es um dramatische Ereignisse und ja,
00:04:50: möglicherweise, Fehlentscheidungen während einer Geburt.
00:04:53: Also wenn euch dieses Thema aus verschiedensten Gründen so nahe gehen sollte,
00:04:57: dann lasst diese Folge vielleicht besser aus oder ihr hört sie mit jemandem zusammen an, dem ihr vertraut.
00:05:02: Das wird auch wirklich eine harte Nummer heute.
00:05:05: Ja, das wird eine sehr, sehr harte Nummer mit fatalen Folgen einer Geburt,
00:05:11: die nicht so von Statten gegangen ist, wie sich das die Eltern sicherlich gewünscht hätten.
00:05:16: Ja, und unser Fall startet heute eigentlich in einer wunderschönen Zeit für Lena.
00:05:21: Sie ist nämlich zum zweiten Mal schwanger und freut sich zusammen mit ihrem Mann
00:05:24: und auch mit dem dreijährigen Geschwisterkind.
00:05:26: Ganz wahnsinnig auf ihr zweites Töchterchen.
00:05:29: Lena ist in der 33. Schwangerschaftswoche.
00:05:32: Bisher verläuft alles problemlos.
00:05:34: Lena kann diese Schwangerschaft auch viel mehr genießen als die erste.
00:05:38: Zum einen, weil sie weniger Nebenwirkungen hat
00:05:40: und sie hat auch deutlich weniger Ängste als bei ihrem ersten Kind.
00:05:44: Ja, und deshalb geht Lena auch ganz locker in die nächste Kontrolluntersuchung bei ihrer Frauenärztin.
00:05:49: Die hat an diesem Tag allerdings weniger gute Nachrichten für sie.
00:05:53: Das Baby befindet sich in Lena's Gebärmutter in Beckenlage
00:05:56: und nicht, wie es sein sollte, mit dem Köpfchen Richtung Geburtskanal.
00:06:01: Die Frauenärztin klärt Lena auf, was man jetzt machen kann, um einen Kaiserschnitt zu vermeiden.
00:06:06: Nämlich das Kind in ihrem Bauch durch eine sogenannte äußere Wendung zu drehen.
00:06:11: Also du versuchst wirklich mit Händen und sanften Bewegungen von außen am Bauch das Kind zu drehen.
00:06:17: Genau, die Betonung muss auf Samft liegen.
00:06:21: Also samfte Bewegungen durch diese, dass das Baby stimulieren,
00:06:26: dass es sich in sogenannte Schädellage legt.
00:06:30: Die Frauenärztin von Lena sagt allerdings, dass so eine Drehung eben nicht so sanft sein kann,
00:06:38: sondern wenn das wirklich funktioniert, kann das da auch mal ein bisschen, ja sie sagt tatsächlich brutaler zu gehen.
00:06:43: Und dass so eine Drehung auch nur in der Hälfte der Fälle zum Erfolg führen würde.
00:06:49: Mit diesen Informationen entscheidet sich Lena gegen die äußere Drehung.
00:06:54: Peter, kannst du uns so aus deiner Anwaltspraxis sagen, wie häufig es Probleme bei so einer Drehung gibt,
00:07:01: sind das Fälle, die bei dir auftauchen?
00:07:03: An sich ist diese äußere Wendung sehr wenig komplikationsbelastet.
00:07:09: Also es gibt ganz selten Komplikationen, weil man ja ganz bewusst sanft vorgeht.
00:07:15: Und darum ist es eher selten, dass da was passiert.
00:07:18: Welche Fälle rund um Geburten landen denn am häufigsten bei dir in der Kanzlei?
00:07:24: Also ich muss sagen, glücklicherweise gehen die meisten Geburten gut aus.
00:07:29: Und die häufigsten Fälle sind eigentlich die, wo es zu einem Sauerstoffmangel kommt.
00:07:36: Und das kann verschiedene Gründe haben.
00:07:38: Beispielsweise sind nicht ausreichende Voruntersuchungen gemacht worden.
00:07:43: Und was sehr, sehr häufig vorkommt, ist eine falsche Abwägung zwischen natürlicher Geburt und Sektion.
00:07:50: Also Sektion ist der Kaiserschnitt.
00:07:52: Also das häufig wird nicht frühzeitig genug, aus welchen Gründen auch immer, auf den Kaiserschnitt übergegangen.
00:08:00: Es wird mitunter zu lange gewartet.
00:08:02: Und dann haben sich entsprechende Komplikationen eingestellt.
00:08:05: Und eine Sauerstoffuntersuchversorgung, das ist für jeden einleuchtend, kann zu ganz gravierenden Folgen führen.
00:08:12: Kann man denn mittlerweile sagen, dass sich in den letzten Jahren auch so die Einstellung der Ärztinnen und Ärzte zum Kaiserschnitt geändert hat.
00:08:20: Weil so mein Stand ist noch so und da sind ja, glaube ich, auch viele Mütter oder angehende Mütter verunsichert,
00:08:26: die vielleicht einfach aus ganz persönlichen Gründen sagen, ich möchte aber einen Kaiserschnitt.
00:08:30: Und so weit ich das aus meinem Freundeskreis kenne, wurde dann immer ein Nein auf gar keinen Fall.
00:08:34: Und du musst das natürlich machen.
00:08:36: Und das ist ja auch alles besser für das Kind und so weiter.
00:08:38: Hat sich das ein wenig verändert oder ist das immer noch so?
00:08:42: Also es gibt sicherlich Kliniken, zum Glück sehr wenige, die einfach noch an der natürlichen Geburt und das möglichst lange festhalten.
00:08:53: Also die nicht bereit sind, ich weiß nicht, warum, vielleicht um die Statistik nicht schlecht dastehen zu lassen,
00:09:00: nicht auf die Sectio gehen, sondern sagen, wir müssen versuchen, eine natürliche Geburt herbeizuführen.
00:09:08: Und das ist nicht weit verbreitet, aber diese Kliniken gibt es nach meiner Erfahrung.
00:09:13: Es ist ja so, dass viele Frauen möchten natürlich gebären, was ja auch verständlich ist.
00:09:18: Und die suchen sich dann Kliniken aus, wo die Quote entsprechend ist.
00:09:23: Also ich sage es jetzt vielleicht mal ein bisschen ketzerisch, muss man als Klinik schauen, dass man nicht zu viele Kaiserschnittgeburten hat.
00:09:31: Weil dann kommen die natürlich Gebärenwollenden nicht mehr.
00:09:34: Genau, um noch weiter, ich sage es noch mal ketzerisch, nicht Kundinnen zu verlieren.
00:09:41: Und ja, das ist sicherlich bei der ein oder anderen Klinik so das Gedankengut.
00:09:47: Wir tauchen an dieser Stelle wieder in den Fall um Lena ein.
00:09:50: Lena stellt sich nach dem Beratungstermin bei ihrer Frauenärztin im Krankenhaus vor.
00:09:55: Der zuständige Arzt dort bestätigt zuerst mal die Beckenlage ihres Kindes.
00:10:00: Und dann erzählt er ihr aber jetzt ganz andere Dinge.
00:10:05: Ja, und zwar er rät dringend zur äußeren Wendung, die auch nicht brutal, sondern im Gegenteil besonders erfolgsversprechend sei.
00:10:14: Wie wir vorhin gehört haben, ist dem auch so.
00:10:17: Auch wenn es nicht klappen würde, wäre eine Beckengeburt für eine zweitgebärende wie Lena auch nicht besonders riskant.
00:10:24: Zumal das zweite Kind ähnlich groß sei wie das erste.
00:10:28: Und einen Kaiserschnitt könne man immer noch früh genug durchführen.
00:10:31: Da haben wir ja schon wieder den Klassiker, zwei Ärzte, zwei Meinungen.
00:10:34: Ja, das kommt gerade in diesem Bereich gar nicht so selten vor.
00:10:38: Macht es für Lena oder für alle Patienten natürlich auch nicht einfacher.
00:10:42: Rlativ schlau finde ich noch die Frage, die Lena's Mutter dem Arzt im Krankenhaus stellt.
00:10:46: Die sind nämlich mitgekommen.
00:10:48: Sie fragt, warum denn dann überhaupt noch das Baby drehen, wenn er doch sagt, eine Geburt in Beckenlage sei gar kein Problem.
00:10:54: Antwort des Arztes, ja, aber eine normale Geburt mit richtiger Lage des Kindes sei immer noch einfacher.
00:11:00: Lena entscheidet sich auf jeden Fall dafür, dass sie das Kind von außen drehen lassen möchte.
00:11:07: Und wenn man sie heute fragen würde, würde sie das nicht nochmal so machen lassen.
00:11:13: Lena ist jetzt mittlerweile in der 39. Schwangerschaftswoche, als dieses Ja, ich nenne es jetzt mal Manöver durchgeführt wird.
00:11:19: Und sie beschreibt das Ganze als äußerst brutal.
00:11:22: Mehr als eine Stunde lang mühen sich ein Arzt und eine weitere Ärztin an ihrem Bauch ab.
00:11:27: Sie drücken und drehen mit vollem Körpereinsatz teilweise.
00:11:31: Das Ganze allerdings ohne Erfolg nach einer Stunde brechen sie ihre Bemühungen ab.
00:11:35: Und Lena soll jetzt eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben.
00:11:39: Nach dieser missglückten Drehung des Kindes glaubt Lena, ihr Kind nicht mehr spüren zu können im Bauch.
00:11:47: Und das sagt sie auch den Ärzten.
00:11:49: Die führen gleich mehrere CTGs durch, also sie messen die Herztöne des Ungeborenen und sagen, es sei alles unauffällig.
00:11:56: Drei Tage später wird ein weiteres CTG gemacht.
00:11:59: Lena teilt den Ärzten nochmal mit.
00:12:01: Ich spüre das Baby nur noch ganz selten und es ist auch ganz anders als vor dieser missglückten Drehung.
00:12:07: Und wieder heißt es vom Klinikarzt, die Werte sind aber tiptop in Ordnung, machen sie sich keine Sorgen.
00:12:13: Eine Woche später kommt Lena wieder in die Klinik.
00:12:16: Sie sagt, ihre Fruchtblase sei geplatzt.
00:12:18: Der Arzt stellt tatsächlich einen Blasensprung fest.
00:12:21: Allerdings können die Untersuchungen keinen Verlust von Fruchtwasser nachweisen.
00:12:26: Also kann so eine Fruchtblase auch nur ein bisschen anreißen, dass nur etwas kommt.
00:12:31: Ja, das ist auch durchaus möglich.
00:12:34: Lena fährt also wieder nach Hause und am nächsten Tag morgens um halb neun fährt sie wieder in die Klinik.
00:12:41: Weil jetzt nämlich sehr viel Fruchtwasser abgegangen ist und sie weist die Ärzte auch auf die grünliche Verfärbung dieses Fruchtwassers hin.
00:12:48: Daraufhin sagt man Lena lediglich, sie solle sich jetzt erstmal auf ihrer Station gemütlich machen und abwarten bis die Wehen einsetzen.
00:12:57: Peter, ich habe auch mal so ein bisschen nachgeguckt, also grünes Fruchtwasser, das klingt natürlich
00:13:01: jetzt erstmal total dramatisch, aber Paare, die ein Kind kriegen, die machen sich damit auch,
00:13:04: die machen sich darüber auf jeden Fall schlau.
00:13:06: Also ein Freund von mir, als seine Freundin schwanger war, der wusste genau, was mache
00:13:12: ich, wenn das Fruchtwasser kommt, wenn die Blase platzt, welche Farbe muss das haben,
00:13:16: ab wann werde ich nervös.
00:13:17: Also der war da komplett im Bilde.
00:13:19: Aber es macht ja erstmal also grünes Fruchtwasser.
00:13:23: Wie gesagt, es muss nicht unbedingt was Schlimmes bedeutend, es kann, aber ja, also das ist völlig
00:13:28: unterschiedlich.
00:13:29: Und das rechtfertigt noch nicht den Schluss darauf, dass da ein Problem vorliegt.
00:13:36: Nämlich es kann einerseits sein, dass es einen Sauerstoffmangel, einen kurzfristigen Sauerstoffmangel
00:13:42: gab.
00:13:43: Das wäre natürlich Problem behaftet.
00:13:45: Und aber bei übertragenen Babys kann grünes Fruchtwasser ganz normal sein.
00:13:51: Was sind übertragende Babys?
00:13:52: Also, also Geburtstermin schon überschritten?
00:13:55: Ja.
00:13:56: Und bei Frühgeburten, deutet es im Regelfall auf eine Infektion des Süglings sind.
00:14:02: Also man muss immer schauen, in welcher Schwangerschaftswoche ist man vor dem errechneten Geburtstermin
00:14:08: oder danach?
00:14:09: Und da kann man entsprechende Schlüsse dann ziehen.
00:14:13: Allein aus der Färbung des Fruchtwassers sollte man überhaupt keinen Schluss ziehen.
00:14:19: Bei Lena wird dann so eine Stunde später ein Ultraschall gemacht im Krankenhaus und
00:14:25: auch das Gewicht des Kindes ermittelt.
00:14:27: Es wiegt 3.300 Gramm.
00:14:29: Mittags um zwölf beschließen die Ärzte jetzt die Geburt einzuleiten.
00:14:34: Lena ist ein wenig verwirrt und fragt, ja warum denn jetzt doch?
00:14:38: Ich sollte mich doch auf meiner Station erst mal ein bisschen entspannen und gucken,
00:14:41: wenn da die Wehen kommen.
00:14:43: Und sie bekommt die Antwort, dass das Fruchtwasser ja ein bisschen grün gewesen sei.
00:14:49: Jetzt wollte man wohl doch handeln.
00:14:50: Um 13 Uhr, eine Stunde später, also bekommt Lena ein wehenförderndes Medikament und kurz
00:14:56: darauf setzen die Wehen dann auch alle 10 bis 15 Minuten ein.
00:15:00: Lena wird in den Kreißsaal geschoben, ab jetzt kümmert sich eine Hebamme um sie.
00:15:05: Die Herztöne werden ab jetzt permanent überwacht.
00:15:08: Irgendwann ruft die Hebamme den Arzt, als der Muttermund 6 cm geöffnet ist.
00:15:12: Der Arzt kommt und sagt, ne, also das sind noch keine 6 cm und dann geht er wieder.
00:15:18: Mittlerweile haben wir es nachmittags 15 Uhr, da werden die Herztöne des Kindes immer schwächer.
00:15:24: Während der Wehen fallen sie auch noch weiter ab und die Abstände zwischen den Herzschlägen
00:15:28: werden immer größer.
00:15:30: Nach einer Wehe erholen sich die Herztöne des Kindes wieder und mittlerweile hat Lena
00:15:35: alle 3 bis 4 Minuten eine Wehe.
00:15:37: Wiederum 2 Stunden später entscheidet sich der Arzt Blut aus dem Gesäß bzw. aus dem
00:15:42: Fuß des ungeborenen Babys zu nehmen, um den pH-Wert zu prüfen.
00:15:46: Auch zu diesem Zeitpunkt verlansamen sie sich die Herzschläge des Kindes.
00:15:49: Es sind jetzt 50 pro Minute, normal wären 140 bis 150 Schläge.
00:15:55: Lena will jetzt unbedingt, dass ihr Kind per Kaiserschnitt geholt wird.
00:16:00: Der Arzt sieht dazu nach wie vor keine Veranlassung und verlässt wieder den Kreißsaal.
00:16:05: Also ich bin, ist das alles noch normal?
00:16:08: Nein, das ist zum Glück nicht normal, aber es kommt immer wieder vor.
00:16:12: Sagt der Arzt dann ihr, die Hebamme ist ja da, die macht das schon?
00:16:14: Nein, das ist schon auch eine ärztliche Aufgabe, das mit zu überwachen und die Entscheidung
00:16:20: zu treffen.
00:16:21: Wir machen jetzt einen Kaiserschnitt oder wir warten noch weiter ab.
00:16:25: Lena fühlt sich auch absolut ausgeliefert und das sind ja auch so die Horrorgeschichten,
00:16:30: die man immer wieder von Geburten hört.
00:16:32: Die Frau kann sich in dem Zustand, die liegt ja wie ein Käfer auf dem Rücken, die kann
00:16:35: sich ja einfach gar nicht mehr wehren.
00:16:37: Ja, darum ist es immer hilfreich, wenn der Partner mit dabei ist, der vielleicht dann
00:16:42: das Sprachrohr der Gebärenden sein kann, um dass den Arzt dann näher zu bringen.
00:16:47: Auch da haben wir alle schon von Fällen gehört, dass dann auch der werdende Vater oder hinterher
00:16:54: der Vater bzw. das ganze Paar nach so einer Horrorgeburt, so nenne ich das jetzt mal, noch lange traumatisiert
00:17:00: sind und schon nicht mal mehr eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen können, weil das wirklich
00:17:04: so dramatisch in dem Kreißsaal war, da kann der Mann ja auch nicht viel, wenn der Arzt
00:17:08: macht, das ist aber alles richtig so, noch was will er machen.
00:17:11: Ja, oftmals wird ihm das gar nicht gesagt, weil er schon gar nicht mehr im Kreißsaal
00:17:15: ist, weil der Arzt sagt, jetzt brauchen wir unsere Ruhe, hier gibt es Abweichungen vom
00:17:20: Normalfall, warten Sie bitte draußen auf dem Flur, wir holen Sie wieder rein, wenn das
00:17:25: Kind geboren ist und dann fällt das Sprachrohr der Gebärenden weg und das kann dann auch
00:17:31: problematisch sein.
00:17:32: Der Arzt fehlt im Kreißsaal jetzt seit etwa einer halben Stunde und die Herzschläge von
00:17:39: Lena's Baby fallen wirklich drastisch ab, auf 20 pro Minute und die Herztöne erholen
00:17:45: sich jetzt auch in den Wehenpausen nicht mehr.
00:17:47: Lena bekommt einen Wehenblocker an dieser Stelle und wird für die Operation vorbereitet,
00:17:54: also für den Kaiserschnitt, der Arzt fehlt immer noch, die Hebamme versucht, in telefonisch
00:17:58: zu erreichen und rät Lena, wenn der Arzt gleich kommt, da sagen sie mal besser nichts.
00:18:04: Und wieder dieses Gefühl, man ist völlig ausgeliefert, jetzt darf ich nicht mal was
00:18:08: sagen, was ist hier los?
00:18:10: Ja, also sagt man mir noch alles.
00:18:12: Man will alles hören, aber nicht einen solchen Satz.
00:18:15: Ne, 15 Minuten später erscheint endlich der Arzt im Kreißsaal, verschlafen, hätte sich
00:18:19: die Augen gerieben, er hatte keinen Kittel an, den zieht er sich erst vor ihren Augen
00:18:24: an und der Arzt weigert sich nach wie vor das Kind per Kaiserschnitt zu Welt zu holen.
00:18:29: Erst als eine erneute Blutprobe des Babys einen äußerst schlechten pH-Wert zeigt, beschließt
00:18:34: er doch zu operieren.
00:18:36: Auf dem Weg in den OP schaut Lena ganz besorgt auf das mobile CTG-Gerät, auf dem zu diesem
00:18:42: Zeitpunkt gar keine Herztöne ihres Babys mehr zu hören sind.
00:18:46: Die Hebamme und der Arzt schauen auch auf den Monitor, sie sehen es also selbst und sagen
00:18:51: aber beide Lena soll sich keine Sorgen machen.
00:18:53: Abends um halb acht wird Lena's Tochter Sophie per Kaiserschnitt geboren.
00:18:59: Das Kind zeigt keinerlei Aktivität.
00:19:01: Die Nabelschnur hat sich dreimal straff um den kleinen Hals des Babys gewickelt.
00:19:07: Das war dann auch der Grund dafür, dass während der Wehen die Herztöne dieses kleinen Mädchens
00:19:12: immer wieder abgefallen waren.
00:19:13: Also die kleine wurde bei diesem sehr langen Geburtsverlauf regelrecht stranguliert.
00:19:18: Aber sie lebt, Sophie kann reanimiert werden.
00:19:22: Peter allerdings mit erheblichen Schäden.
00:19:26: Ja, also durch den Sauerstoffmangel über einen doch längeren Zeitraum ist es zu schweren.
00:19:33: Oder ich will sogar sagen zu schwersten, geistigen und körperlichen Beeinträchtigen gekommen.
00:19:39: Sie ist zu 100 Prozent schwer behindert.
00:19:42: Sie kann weder alleine sitzen, geschweige denn gehen oder überhaupt stehen und das Sprachvermögen
00:19:51: ist so gut wie nicht vorhanden.
00:19:53: Also wir haben ja wirklich schon viele Schicksale hier besprochen, aber ich glaube so emotional
00:19:57: ist das für mich gerade der schlimmste Fall.
00:19:59: Dieses Kind hätte absolut gesund auf die Welt kommen können, wenn diese Dinge nicht passiert
00:20:04: wären.
00:20:05: Peter, was ist da alle schief gelaufen?
00:20:07: Ja, jede Menge.
00:20:09: Also das Geburtsmanagement war in mehrfacher Hinsicht schlichtweg fehlerhaft.
00:20:15: Es hätte in erster Linie zu einem viel früheren Kaiserschnitt kommen müssen.
00:20:20: Es ist deutlich zu lange abgewartet worden.
00:20:23: Die Herztöne des Babys waren ja bereits Stunden vor dem Notkaiserschnitt, der im Endeffekt
00:20:29: dann durchgeführt worden ist.
00:20:31: Viel zu niedrig.
00:20:32: Die Wehentätigkeit war äußerst schlecht, sodass bereits zu dem Zeitpunkt eine Sectio,
00:20:38: also ein Kaiserschnitt hätte erfolgen müssen.
00:20:40: Also während ich diesen Fall gelesen habe, ich habe mich, ich glaube mehrfach geschrien,
00:20:44: macht doch jetzt den Kaiserschnitt.
00:20:46: Man wird ganz verrückt dabei.
00:20:47: Ja, man hat dann aber erst mal diese äußere Wendung, über die wir gesprochen haben,
00:20:53: durchgeführt.
00:20:54: Die war aber kontraindiziert, weil diese macht man nicht in der 39.
00:20:57: Schwangerschaftswoche, sondern nur in der 36.
00:21:01: bis 38.
00:21:02: Schwangerschaftswoche.
00:21:03: Viel zu spät.
00:21:04: Dann ist der Schaden, den man anrichten kann, größer als der Nutzen, den man erreichen
00:21:08: kann.
00:21:09: Und was hier auch weiterhin fehlerhaft war, und das ist ein Problem in vielen Krankenhäusern,
00:21:15: dass der, die Geburt zu verantwortende Arzt auch nicht während des gesamten komplikations
00:21:22: behafteten, also als es problematisch war mit der Beckenendlagenproblematik, bei dem
00:21:27: Geburtsverlauf nicht ständig anwesend war.
00:21:30: Und das hätte er sein müssen.
00:21:31: Und auch das hat das Gericht, wir mussten nämlich im Endeffekt klagen, weil wir uns
00:21:35: mit der Gegenseite außergewichtlich nicht verständigen konnten, hat das Gericht auch
00:21:39: so festgestellt.
00:21:40: Wie ist das Urteil ausgefallen?
00:21:42: Also in der ersten Instanz hat das schwerstgeschädigste Kind einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von
00:21:50: nahezu 200.000 Euro zugesprochen erhalten.
00:21:53: Das entsprach aber nicht den Vorstellungen der Eltern und auch nicht unseren.
00:21:59: Und darum sind wir, obwohl wir eigentlich überwiegend gesiegt hatten, in die zweite
00:22:04: Instanz, in die Berufe gegangen.
00:22:05: Und da wurde der Fall nochmal komplett verhandelt.
00:22:08: Und da haben wir uns letztendlich auf einen Vergleichsbetrag, was das Schmerzensgeld
00:22:14: anbelangt, von 300.000 Euro mit der Gegenseite verständigt.
00:22:18: Und in erster Instanz wurde ja auch noch das Urteil getroffen, ein sogenanntes Feststellungsurteil,
00:22:24: dass alle künftigen Schäden des Kindes seien sie materiellrechtlicher oder immateriellrechtlicher
00:22:30: Natur ausgeglichen werden müssen.
00:22:32: Also wenn das Kind irgendwann mal nicht arbeiten gehen kann, der Verdienstausfallschaden,
00:22:37: wenn den Haushalt nicht führen kann, der Haushaltsführungsschaden, das kommt obendrauf
00:22:40: auf diese 300.000 Euro Schmerzensgeld.
00:22:43: Also solange dieses Kind da ist, solange es lebt, muss es versorgt werden zu 100 Prozent,
00:22:49: wenn also alle diese Kosten sind abgedeckt.
00:22:51: Das ist alles komplett mit abgedeckt und viele denken immer der Schmerzensgeldbetrag ist
00:22:57: der entscheidende Betrag.
00:22:59: Nein, in solchen Fällen, wo gerade Kinder schwerstgeschädigt sind, ist das Schmerzensgeld nicht der Tropfen
00:23:06: auf den heißen Stein, aber macht so im Vergleich zu den materiellen Ansprüchen, wie Pflegemehrbedarf,
00:23:12: wie Verdienstausfallschaden und so weiter, ein wesentlich kleineren Teil aus.
00:23:17: Und zwar Schmerzensgeldbeträge gehen bei uns in Deutschland bis knapp über eine Million
00:23:22: Euro, höher sind wir noch nicht, aber die materiellen Schäden, wenn ein Kind ansonsten
00:23:27: eine durchschnittliche Lebenserwartung hat, können im zweistelligen Millionenbereich
00:23:33: liegen.
00:23:34: Du brauchst ja zum Beispiel vielleicht auch ein spezielles Bett.
00:23:35: Du brauchst vielleicht auch ein spezielles Auto, was darauf ausgerichtet ist, dieses Kind
00:23:40: zu transportieren.
00:23:41: Da weiß ja jeder, das sind ja Kosten, die explodieren dann ja auch.
00:23:44: Das ist ja dann mit einem Schmerzensgeld, auch wenn es 300.000 Euro sind.
00:23:47: Das ist ja sofort weg.
00:23:48: Genau, meistens sind die höchsten Beträge der Pflegemehrbedarf und der Verdienstausfallschaden.
00:23:53: Wenn wir sagen, dass das Kind hätte, wenn man die Eltern nimmt, beispielsweise, das sind
00:23:57: beides Bauingenieure und das Kind wäre auch in diese Richtung möglicherweise gegangen
00:24:03: vom Verdienst, zumindest dann wird das hochgerechnet, hätte 5000 Euro im Monat verdient, das auf
00:24:09: 45 Berufsjahre gerechnet, da kommt schon ganz schön was zusammen.
00:24:13: Also mir tut die Familie fürchterlich leid, dass sie dieses Trauma so einer Geburt erleben
00:24:18: musste und weil man ja wirklich mit Sicherheit immer im Hinterkopf hat, mein Kind war eigentlich
00:24:23: gesund.
00:24:24: Ja, und auch in diesem Fall würden die Eltern alles Geld, was sie bekommen haben, sehr, sehr
00:24:30: gerne hingeben und dafür die Gesundheit ihres Kindes wieder bekommen.
00:24:35: Weißt du ein bisschen was über die Eltern, wie die damit umgehen?
00:24:38: Ja, ein Stück weit zwangsläufig so, man muss sich damit arrangieren.
00:24:41: Da kann der eine besser, der andere schlechter mit umgehen, aber im Endeffekt ist die Liebe
00:24:46: für das Kind an sich immer genauso da, als ob es gesund wäre.
00:24:50: Wir wünschen der Familie natürlich an dieser Stelle alles, alles Gute.
00:24:53: Ja, heftiger Fall, muss man so ein bisschen auch erstmal durchschnauben.
00:24:58: Ja, das ist eigentlich ein Tag, wo sich das Leben komplett ändert.
00:25:01: Es braucht sicherlich eine lange Zeit, das zu überwinden und in diese Rolle reinzuwachsen.
00:25:06: Aber das gelingt doch sehr, sehr vielen Eltern sehr, sehr gut und entsprechend das Feedback
00:25:12: bekomme ich auch und bin dann immer froh, dass man sich doch mit der Situation in irgendeiner
00:25:17: Form arrangiert hat.
00:25:18: Peter, vielen Dank auf jeden Fall, dass du diesen Fall mit uns allen teilst und wenn
00:25:22: ihr dazu uns Feedback geben möchtet, sehr herzlich gerne.
00:25:26: Das geht ganz einfach, ihr findet uns bei Instagram "Tatort Krankenhaus".
00:25:30: Ihr könnt auch eine Mail mal schreiben an.
00:25:33: Info@tatort-krankenhaus.de Ich, wieso komme ich da immer nie drauf.
00:25:38: Es ist so fürchterlich mit mir.
00:25:39: Da will ich dir jetzt an dieser Stelle mal nicht widersprechen und sage...
00:25:42: Mann, zum ersten Mal, dass ich das noch erleben darf.
00:25:45: So, euch alles Gute.
00:25:46: Wir hören uns wieder spätestens am Donnerstag, wenn wir eine neue Folge für euch haben.
00:25:52: "Tatort Krankenhaus".
00:25:53: Bis dahin tschüüüüss.
00:25:54: Tschüüüüss.
00:25:55: "Tatort Krankenhaus".
00:25:57: Der Podcast mit Tanina Rottmann und Peter Gellner.
00:26:00: [Musik]
Neuer Kommentar